Celina - schwarzer Engel ohne Flügel
Kapitel 1, Lebens-Station 1
… bis 18. Mai 1996
Kurze Vorgeschichte:
Ein kleines Dorf in Hessen. Hier lebten 1996
Familie Jacobi und Familie Schmidt. Der blonde Labrador der Schmidts
deckte die schwarze Staffordshire Terrier-Hündin der Jacobis. Man
nahm dies eher gelassen zur Kenntnis. Es war ja schliesslich nicht
verboten. Eine der daraus entstandenen Hunde war Celina.
Celina hatte rabenschwarzes, kurzes Samt-Fell und
war gut bemuskelt …mit einem breiten Grinsen um die Hundeschnauze
und Knicköhrchen, liebevolle Sorgenfalten zwischen den grossen
rehbraunen Hundeaugen… Celina wurde im Frühjahr 1996 als
Staffordshire (-Mix) geboren.
Mit knapp 8 Wochen zog sie zu Familie
Maurer: Das Ehepaar Horst und Maria Maurer, sowie deren 15jährige
Tochter Maren. Die Jacobis hatten bis dahin alles „für ihre
Welpen getan“, doch mit dem Auszug der kleinen Hunde legten sie
auch sämtliche Verantwortung für das weitere Leben der wachsenden
Welpen, IHRER WELPEN, ab.
Einmalig aus Versehen zu Hobbyzüchtern geworden,
sahen sie ihre Möglichkeiten damit als bestens erledigt an.

Kapitel 2, Lebens-Station 2
Mai 1996 – Januar 1998
Welpe Celina bei Familie Maurer
Die Sonne wirft auch erste Schatten
Celina wuselte durch das Haus und dem aufregenden
grossen Garten der Maurers. Im hinteren Teil des Gartens war eine
Ecke abgeteilt, wo Celina auch mal herzhaft buddeln und sich lösen
durfte.
Celina lernte schnell, dass genau dieses eben auch
nur genau dort erwünscht war. Horst Maurer fuhr schon morgens um 5
Uhr weg zur Arbeit und kam nie vor fünf Uhr abends wieder. Meist
sogar noch später. Anfangs spielte er dann noch mit Celina, doch
bald war er dazu zu kaputt.
Maren Maurer besuchte die 10. Klasse der
Realschule. Bevor sie zur Schule aufbrach, joggte sie eine kleine
Runde mit Celina. Wenn Maren dann zur Schule war, kam die Zeit von
Hausfrau Maria Maurer und ihrem schwarzen Schatten.
Maria genoss es, nun auch tagsüber etwas
Lebendiges um sich zu haben und sprach den ganzen Vormittag mit
freundlicher Stimme mit Celina. Celina wackelte Rute-wedelnd jeden
möglichen Schritt der freundlichen Menschen-Frau mit und lauschte
aufmerksam dem melodischen Klang der Stimme.
Maria hatte eigentlich keine grosse Lust mit
Celina spazieren zu gehen und die Erziehung zu übernehmen, das
überließ sie ihrer Tochter. Doch die Hausfrau und die Hündin
genossen die intensive Zeit miteinander und Celina lernte vieles
einfach nebenbei, schon bald, wenn Maria sagte „Ich muss jetzt
staubsaugen“, lief der pfiffige Welpe vor zum Wandschrank, in dem
der Staubsauger stand.Und wenn Maria Maurer die Küche fegte, saß
Celina aufmerksam dabei und wartete ungeduldig auf das
Kommando„Handfeger“, den sie dann voller Freude brachte.
Celina wollte dem Menschen, der den ganzen Tag
für sie da war, einfach nur gefallen und sie gefiel diesem
Menschen. Manchmal kam auch die Nachbarin vorbei. Oft brachte sie
ihren wilden Sohn Momo mit und dieser und die Hündin Celina
genossen Tobe- und Kuschelspiele.
Celina lernte schnell mit Menschenkindern
vorsichtig umzugehen und wenn es ihr genug war, ging sie einfach
davon.Doch eigentlich war Celina viel zu geduldig und auch zu
verspielt, um wirklich mal genug zu haben und so ließ sie sich nie
lange bitten, die nächste Spielrunde einzuläuten.
Momos Mutter und Maria Maurer beobachteten
lächelnd das Spiel des ungleichen Paares. Wenn die 15jährige Maren
von der Schule kam, wurde erstmal mit Celina getobt.
Noch bevor sie ihrer Mutter auch nur Guten Tag
sagte.Maren nahm die vorher abgesprochene Aufgabe der
Hunde-Erziehung sehr ernst und opferte einen grossen Teil ihres
Taschengeldes für die Hundeschule im Nachbar-Ort.
Celina war ein kleiner Star der Spielgruppe dort
und lernte schnell und immer voller Begeisterung. Celina lernte
problemlos Komm, Bei Fuss, Sitz, Platz, Mach Rolle, Gib Pfötchen,
Schäm Dich, Links und Rechts.
Und einige andere Kunst-Stückchen. Und da sie so
ein begeisterter Schüler war, lernte sie diese Befehle sowohl auf
Stimme wie auch auf Sichtzeichen.
Ebenso gab es in der Hundeschule immer wieder die
Möglichkeit zum Spiel mit Artgenossen, was Celina über alles
liebte. Sie lernte ihre Kraft gemäßigt einzusetzen und damit die
Hundepartner nicht zu überrollen.
So konnte man Celina ausgelassen mit dem
Berner-Sennenhund Josh spielen und rangeln sehen und im nächsten
Moment lag sie sich kaum bewegend am Boden, um die beiden
Langhaardackel-Welpen, die auf ihr herum sprangen, nicht zu
verletzen. Auch außerhalb des Hundeplatzes hatten Maren und Celina
viele Freunde. Beinahe täglich gingen sie mit einem Podenco
spazieren und trafen meist noch andere Hunde.
Celina lernte vom Chihuahua bis zur Dogge alle
Hunderassen kennen und stellte sich sozial und Instinkt-sicher auf
diese ein. Jeder Mensch, ob klein oder gross und jeder Hund, ob
klein oder gross, war begeistert, Celina unterwegs zu treffen.Diese
offene Freude machte aus der wachsenden schwarzen Hündin eine sehr
freundliche Hündin, deren Rute sich ständig vor Freude und
Lebenslust wie ein Propeller im Kreis drehte.
Niemand hier hatte Angst vor Celina oder vor der
Rasse der Staffordshire Terrier. Maren bereitete ihre Hündin Celina
auf die Begleithunde-Prüfung vor.

Auch zeigte diese bereits viel Freude an leichten
Agility-Übungen und legte viel Talent in erste Versuche zur
Ausbildung als Rettungshund.In ihren ersten 1 ½ Jahren lernte die
Hündin ausschließlich die Sonnenseiten des Lebens kennen. Celina
machte Freude – und machte sich Freunde!- wo immer sie mit ihrem
Teenager-Frauchen auftauchte.
Gleichzeitig begann sich aber ab Celinas 18.
Lebensmonat doch ein kleiner Schleier auf die Leichtigkeit des Seins
der Hündin zu legen.
Maren schien irgendwie enttäuscht, das Celina auf
jeden anderen Menschen ebenso hörte wie auf sie und sogar zu ihrer
Mutter noch eine tiefere Bindung zu haben schien als zu ihr.
Außerdem war sie das erste Mal so richtig schwer verliebt und
teilte ihre Freizeit nun lieber mit dem Jungen als mit Celina.
Horst und Maria Maurer stritten laut, sobald Horst
von der Arbeit heimkam. Schon lange würdigte er der Hündin keinen
Blick mehr und Celina war sehr verunsichert dem Herrn des Hauses
gegenüber.
Mit ihm verband sie kaum schöne Momente, aber
immer, wenn er kam, schien sich die Stimmung zu verschlechtern und
niemand kümmerte sich um die manchmal dadurch verunsicherte,
traurig in der Ecke sitzende Celina.
Einmal schien die Stimmung des Ehepaar Maurers
nicht ganz so schlecht und sie nahmen sich zärtlich in die Arme.
Celina war ausser sich vor Glück, erinnerte sie diese Szene doch
stark an ihre ersten so sorglosen und glücklichen Monate bei dieser
Familie, und sie sprang tollkühn und bellend an Horst Maurer hoch.
Dieser trat der Staffordshire Hündin in den Bauch
und schnauzte „Hau ab, blöde Töle!“ Und der nächste
Menschen-Streit war der Schlimmste, den die Hündin Celina je erlebt
hatte. Maria Maurer schrie in Tonlagen, die die Hündin von ihr bis
dahin nicht kannte und die ihr Angst machten.
Horst Maurer warf brüllend ein Glas durch die
Gegend und haute immer wieder drohend mit der Faust auf den Tisch.
Celina saß zitternd in ihrem Körbchen. Und da saß sie von nun an
immer, wenn Horst Maurer nach Hause kam.
Knapp 1 ½ jährig, 58cm hoch und 34kg,
wunderschön geschmeidig bemuskelt, verlor die Hündin etwas von
ihrer unvoreingenommenen Fröhlichkeit und war eigentlich viel zu
ruhig für so einen jungen Hund.
Doch die Menschen waren viel zu sehr mit sich
selbst beschäftigt, um zu merken, dass die junge Hündin völlig
verwirrt war. Maren flüchtete viel zu anderen Jugendlichen, niemand
aus ihrer Familie nahm wahr, dass sie die erste Enttäuschung in der
Liebe verarbeiten musste.
Sie hatte inzwischen ihren Realschul-Abschluss mit
Bravour in der Hand und wusste noch immer gar nicht so recht, was
sie werden sollte. Als sich dann die Gelegenheit ergab, auf einem
Reiterhof ein Praktikum zu machen, sagte sie spontan zu. Maren ritt
seit ihrem 6. Lebensjahr und verbrachte seitdem auch alle
Sommerferien und oft auch noch die Herbstferien dort.
Der Reiterhof lag weit entfernt und Maren sollte
dort für ein Jahr hin, hätte danach auch die Möglichkeit dort
eine Lehre als Pferdewirtin zu machen.
Es war die Nacht vom 1. auf 2. Dezember 1997 als
Maren weinend neben Celina lag und ihrer Hündin versprach, sie ganz
oft zu besuchen. Celina spürte die Traurigkeit ihres kleinen
Frauchens, aber auch die unendlich große Zärtlichkeit in der
Stimme und hörte aufmerksam zu.
Celina liebte diese Zwiegespräche zwischen Hund
und Mensch. Auch wenn sie die Fülle der menschlichen Wörter kaum
verstand, genoss sie einfach die sanft-vertraute Zweisamkeit
zwischen sich und ihren Menschen. Sie hatte ihren hübschen
schwarzen Kopf zwischen ihre Vorderpfoten gelegt, die Knickohren
aufmerksam aufgestellt und mit ihren braunen Kulleraugen beobachtete
sie sorgfältig die Miene des traurigen Menschens vor sich.
Wenn Maren von den Pferden sprach, wurde ihre
Stimme wieder ein klein wenig hoffnungsvoller und Celina wedelte
zaghaft mit der schwarzen Rute.
In dieser Nacht nahm Maren die schwarze Schönheit
mit in ihr Bett und schnell war das seidig-schwarz-glänzende Fell
der Hündin von Tränen durchnässt. Am nächsten Morgen fuhr Maria
die Tochter weg. Maren verschwand aus dem Leben der jungen Hündin.
Horst blieb zuhause, trank sehr viel Alkohol und
schimpfte die ganze Zeit vor sich hin. Und Celina bekam eine dunkle
Ahnung von Einsamkeit und Traurigkeit und saß ängstlich zitternd
in ihrem Körbchen. Das Zittern ließ erst nach, als Maria am
nächsten Tag heimkam.
Doch auch Maria umgab eine Traurigkeit, eine
Schwere, die der Hund nicht begreifen konnte. In den folgenden
Wochen redete sie kaum mit Celina, strich ihr nur manchmal sehr
traurig über den Kopf. Die Hausarbeit, die immer beiden soviel
Freude gemacht hatte, machte Maria Maurer nur noch seufzend. Nur der
wilde Momo, der Sohn der Nachbarin, spielte und tobte weiterhin
ausgelassen mit der Hündin,wann immer sich die Gelegenheit dazu
erbot und Celina sehnte täglich die Minuten herbei, an denen der
kleine Mensch vom Kindergarten kam und gemeinsam buddelten sie
Löcher, versteckten sich hinter Büsche und bestanden viele wilde
Abenteuer.
Die Begeisterung des kleinen Kindes weckte auch in
Celina wieder und wieder die Begeisterung für Menschenkinder.Dabei
war Celina immer vorsichtig und einfach nur an der Seite des kleinen
Bengels.
Niemals war sie so wild wie Momo selbst und die
Erwachsenen konnten sich 100% auf Celina verlassen. Manchmal kamen
fremde Menschen und schauten sich das Haus an. Wenn diese dann weg
waren, weinte Maria. Horst kam irgendwann gar nicht mehr nach Hause.
Horst war aus Celinas Leben verschwunden. Wie ja kurz zuvor bereits
Maren. Und ganz am Anfang ihres Lebens die Familie Jacobi.
Celina verstand nicht, was passierte. Wollte
jedoch ihrem Frauchen Maria nicht noch mehr Kummer bereiten und
wartete so einfach immer nur artig auf ein liebes Wort, auf einen
kleinen Spaziergang, auf eine kleine Streicheleinheit. Manchmal
unternahm ja Maria auch noch kleine Kuschelrunden mit Celina und die
Hündin zwang sich weiter dazu artig abzuwarten und jedes bisschen
Liebe einfach nur dankbar anzunehmen.
Und Maria?War einfach froh, um die selbstlose
Treue der Hündin und nahm diese selbstverständlich an. Celina war
der Haltepunkt in ihrem Leben, um nicht völlig zu verzweifeln.
Und auch der Kontakt zur Gesellschaft! Der Draht
zur Welt ausserhalb ihres eigenen Kummers.
3. Kapitel, Lebens-Station 3
Januar 1998 – Mai 1998
Celina und Maria in der Stadt
Die Schatten werden länger.
Maurers trennten sich bald endgültig, das Haus
wurde verkauft und Maria Maurer zog mit dem Hund in die entfernte
Großstadt in eine 2-Zimmer Wohnung.
Nachdem Maria Maurer schon vorher bei ein paar
Vermietern gemerkt hatte, dass ein Hund zwar kein Problem sei, ein
Staffordshire aber eben doch, hatte sie bei der Besichtigung dieser
Wohnung angegeben, einen Labrador-Mix zu besitzen, was ja auch noch
nicht mal wirklich gelogen war.
Nur hatte Celina wirklich wenige Äußerlichkeiten
von ihrem Hundevater geerbt, sie sah halt aus wie eine Staff-Hündin
und es begannen erste Stimmen lauter zu werden, dass diese Hunde
eventuell gefährlich sein könnten.
Tierschützer machten bereits seit mehreren Jahren
darauf aufmerksam, dass diese Hunderassen für höchst merkwürdige
Zwecke missbraucht werden. Doch das wollte niemand hören! Maria
drückten diese zusätzlichen Probleme schwer auf der Seele.
Wenn sie aber in Celinas geduldigen und treuen
Augen schaute, versprach sie ihr in die Pfote, sie niemals im Stich
zu lassen.So wie Celina immer für Maria da gewesen war, so wollte
Maria immer für Celina da sein.
Ihr kleiner schwarzer Engel, der sie im Alltag
aufrecht hielt und wirklich immer nur lieb, brav und einfach da war.
Am Tag ihres Einzugs kam auch der Vermieter vorbei und regte sich
sehr über Celina auf. Maria bot all ihre innere Stärke auf …Schliesslich
erlaubte er den Einzug doch, aber drohte ihr bei den kleinsten
Beschwerden von Nachbarn Konsequenzen an.
Celina war wieder einmal sehr verwirrt, von der
nicht greifbaren schlechten Stimmung, die Maria Maurer zu umgeben
schien, sobald ein männliches Wesen aufkreuzte und zog sich still
in ihr Körbchen zurück, das bereits in der engen Wohnung stand.
Die Hündin hatte in ihrem jungen Leben gelernt,
das stilles Abwarten am schnellsten zur ersehnten Harmonie
zurückführte.Und als der Mann weg war, schien ihr
Menschen-Frauchen sehr erleichtert und Maria lud die Hündin ein,
neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen und Celina hörte wieder
einmal aufmerksam und tröstend den Worten von Frau Maurer zu.
Maren Maurer wurde von ihren Eltern vor vollendete
Tatsachen gestellt und zog die Konsequenz, Abstand zu ihren Eltern
zu halten und diese erstmal zu ignorieren.
Es war inzwischen klar, dass sie im Sommer die
Ausbildung als Pferdewirtin beginnen würde. Sie hatte auch gefragt,
ob sie Celina holen dürfe, doch die sonst sehr netten
Reiterhof-Betreiber stellten sich da völlig stur und wollten auf
keinen Fall so einen Hund auf dem Ferien-Hof. Maren bat ihren Hund
in Gedanken um Abbitte und versprach, ebenfalls via Gedanken-Gruss,
Celina zu sich zu holen, sobald sie ihr Leben geregelt hätte.
Sie hielt oft gedankliche Zwiegespräche mit der
Hündin, doch wieder gesehen hat sie diese eine sehr lange Zeit
nicht. Maria Maurer nahm eine Stelle bei einer Gebäude-Reinigungs-
Firma an und war nun von 7 Uhr bis 12.30 Uhr ausser Haus und Celina
alleine in der lauten und kleinen Stadt-Wohnung.
Etwas, was Celina nie wirklich gelernt hatte, denn
bis dato war eigentlich immer jemand da und wenn sie mal ein
Stündchen alleine gewesen war, hatte sie die Möglichkeit gehabt,
auch in den Garten zu laufen. Hier hatte die Staffordshire Hündin
auf einmal nur noch die Möglichkeit, wartend in ihrem Körbchen zu
liegen.
Celina vermisste Sand und Gras unter ihren Pfoten,
die Hündin trauerte auch um ihren kleinen wilden Menschenfreund
Momo und sehnte sich nach langen Wanderungen durch den heimischen
Wald, sowie nach wilden Renn- und Tobespielen mit anderen Hunden,
aber auch nach den Aufgaben auf dem Hundeplatz mit Maren.
Ihr einst so spannendes und von Liebe und Stolz
begleitetes Leben verlief trist und eintönig. Wenn Maria von der
Arbeit kam, ging sie mit Celina spazieren. Das war so ziemlich das
Einzige rund um den Hund, was sie noch nie besonders gerne gemacht
hatte.
Doch nun war sie mehrmals täglich dazu gezwungen.
Und so sehr sie die schwarze Hündin Celina liebte, so sehr war sie
von diesen Spaziergängen auch genervt. Und angestrengt. Denn die
Spaziergänge mit der Staffordshire-Hündin wurden langsam zu einer
Art Spießruten-Lauf. Der Ruf der Rasse Staffordshire-Terrier wurde
immer schlechter und die Menschen schienen beinahe froh, ein
Feindbild zu haben.
So machte sich kaum jemand die Mühe, Celinas
tolles Wesen kennen zulernen, sondern man zeigte lieber angewidert
mit dem Finger auf den Hund.
Im Stadtpark musste Celina die ganze Zeit an der
Leine bleiben und die anderen Hundebesitzer duldeten keine
Kontaktaufnahme.
Das so lebensfröhliche Power-Paket Celina wusste
schon bald nicht mehr wohin mit all der Energie und begann beim
Spazieren gehen, die ganze Zeit über aufgeregt zu bellen. Bald ging
Maria nur noch 10 Minuten mit Celina und dies auch nicht öfter als
2mal am Tag.
Danach brachte Maria die Pelznase heim und
erledigte allerlei der vielen menschlichen Aufgaben, ging aber oft
auch einfach nur genießerisch Schaufenster bummeln, um ihre
Gedanken zu ordnen. Luft holen, ohne angefeindet zu werden.
Celina saß dann zuhause und weinte ihre
Einsamkeit und ihre aufgestaute Energie, aber auch ihre
Unsicherheit, aus sich raus. Anfangs leise winselnd im Körbchen,
dann immer lauter werdend. Manchmal klopften dann die anderen
Bewohner des Mehrfamilienhauses an die Wohnungstür und Celina
bellte aufgeregt und freudig in der Hoffnung, dass der Mensch da vor
der Tür sie zu einem aufregenden Spaziergang abholen wolle.
Celina weinte vielleicht um ihr Leben, das sie
geführt hatte: Als Hund mit Denkaufgaben, körperlicher Auslastung
und vollem Familienanschluss.Nun war sie ein einsamer Stadt-Hund und
wartete immer nur darauf, dass Maria heimkam. Und wenn die dann
heimkam, war auch nichts mehr wie früher.
Celina spürte, dass da bald die nächste
Veränderung auf sie zukommen würde. Die Nachbarn hatten Angst vor
der muskulösen Hündin und verwechselten ihr lachendes Hundegesicht
mit dem Gesichtsausdruck eines angreifenden Hundes.
Das Jaulen Celinas nahmen sie zum Anlass, sich
über den „unberechenbaren Hund“ zu beschweren. Marias Vermieter
schickte einen Brief, mit der Auflage, den Hund sofort aus dem
Wohnhaus zu entfernen. Maria hatte keine Kraft mehr um Celina zu
kämpfen.
Sie wollte nun erstmal um ihr eigenes Leben
kämpfen. Den Gedanken, dass die schwarze Staff-Hündin all die
letzten Monate ihr einziger Lebenshalt gewesen war, verdrängte sie
dabei erfolgreich. Schließlich und schlussendlich „war doch
Celina nur ein Hund“!
Maria Maurer verteilte Zettel in den
Einkaufsläden ihrer Umgebung. Auf denen sie ein neues Zuhause für
Celina suchte. Am 18. Mai 1998, 2 Jahre nach dem Einzug des kleinen
schwarzen Welpen bei den Maurers, nachdem das Glück für Celina so
perfekt erschienen war wie der 6er im Lotto, wurde die treue
vierbeinige Freundin per Handschlag weitergegeben an die Studentin
Carmen.
Die versprach, sich nach besten Wissen und
Gewissen um Celina zu kümmern. Maria verlangte keine Schutzgebühr,
machte keinen Vertrag, wusste von Carmen keinen Nachnamen, sondern
verließ sich eher erleichtert und nur leicht zögernd auf das
„gute Gefühl, für den Hund das Beste gemacht zu haben“ Maria
Maurer verschwand einfach so von einem Tag auf den anderen aus
Celinas Leben.
Celina verstand die Welt nicht mehr! Am 18. Mai
1998, an ihrem zweiten Geburtstag, verließ die Hündin an der Seite
einer fremden Frau –ihrem neuen Frauchen Carmen- , den Menschen,
für den sie ihr eigenes Leben ohne zu zögern gegeben hätte.

4. Kapitel, Lebens-Station Nr.4
Mai 1998 – Juni 1998
Celina und Carmen
Auch wenn die Sonne nur kurz scheint, scheint sie
in diesem Moment hell …und wirft Schatten! Carmen studierte BWL und
war gerade von ihrem Freund verlassen wurden. Ihre Eltern gaben
Carmen finanziell alles, was die Studentin nur wollte und so füllte
Carmen ihre Einsamkeit mit Celina. Carmen hatte ein langes Gespräch
mit Frau Maurer geführt und spürte wirklich einen tiefen Willen in
sich, für diese Hündin zu sorgen.
Carmen war zwar oft gedankenlos, aber nicht
herzlos und so erkannte sie mit sicherem Gespür, die kalte Faust
der Unsicherheit und Angst, die das Hundeherz umgab. Und sie
versprach der Hündin, immer gut für sie zu sorgen.
Celina hörte -wie immer- aufmerksam der
menschlichen Stimme zu und ihre Rute wedelte freudig erregt, da
diese Zweisamkeit wieder da war, die die Hündin doch so sehr liebte
und brauchte. Carmen nahm Celina überall mit hin, beim
Fernsehgucken saß Celina neben ihr auf dem Sofa und manchmal
teilten sie sich sogar eine Tüte Chips.
Abends lag sie mit im Bett eng an Carmen
gekuschelt. Am Tage fuhr Carmen mit ihrem knallrotem
VW-Beatle-Cabrio und der süßen schwarzen Hündin oft in den Wald
und liess auf einsamen Wegen Celina auch frei laufen.
Celinas Lebenslust kehrte sehr schnell
zurück.Nach nur wenigen Tagen reagierte sie auf das kleinste
Kommando ihres neuen Menschen und dankte mit Treue und
Freundlichkeit.All ihr hündisches Urvertrauen steckte sie in diese
junge Menschen-Frau, so dass sie auch wieder problemlos ein paar
Stunden alleine blieb, wenn Carmen an der Uni war.
Danach gab’s ja Freizeit für und mit dem Hund
pur.Die Abende verbrachten sie oft an einem Baggersee. Abends war es
noch recht frisch und die Badegäste gingen nach Hause, das war dann
die Zeit für übermütige Wasserspiele zwischen Carmen und Celina.
Und die ganze Zeit arbeitete Carmen dabei die Vergangenheit mit
ihrem Exfreund auf.
Celina hörte freudig gespannt zu.Diese
Zweisamkeit, in der eine freundliche weibliche Stimme viele Worte zu
ihr sprach, diese Zweisamkeit machte die Stafford-Shire Hündin in
wenigen Tagen wieder glücklich. Denn damit verband die Hündin ihr
erstes absolut sorgloses Lebensjahr, damit wurde sie vom tapsigen
Welpen zum glücklichen Hunde-Teenie.
Celina war wieder einmal binnen kürzester Zeit
genau das, was der Mensch vom Hund erwartet: Sie war einfach der
beste Freund des Menschen, dabei selbst völlig anspruchslos. Als
Carmens Exfreund Marc wieder auftauchte, schwebte Carmen auf
rosaroten Wolken und während sie Marc noch etwas zappeln liess,
überschüttete sie Celina mit Zärtlichkeiten und Aufmerksamkeit.
Als Marc dann nach kurzer Zeit wieder einzog, flog
Celina erst aus dem Bett und schliesslich auch vom Sofa.Doch da
Carmen so glücklich war, war es Celina auch. Celina liebte und
wurde geliebt, mehr wollte die Hündin doch nie vom Leben. Als Marc
dann anfing von einem kompletten Neuanfang zu sprechen, von
Semesterferien in den USA…da hatte Carmen nur kurz ein schlechtes
Gewissen der neuen vierbeinigen Freundin gegenüber; verschenkte die
Hündin dann aber kurzerhand an eine WG in Hannover, wo auch ihre
Cousine Kati wohnte.
Sie brachte Celina dorthin, ließ der Mädchen-WG
eine Menge Geld da und hatte damit ihrer Meinung nach „das Beste
für den Hund getan!“ Nach zwei kurzen aber sehr intensiven
Monaten verschwanden Marc und Carmen einfach aus Celinas
Leben.Celina blieb wieder einmal verwirrt in einem für sie völlig
neuem Leben bei völlig fremden Menschen zurück.
5. Kapitel, Lebens-Station Nr. 5
Juni 1998 – Mai 2001
Celina in der Mädchen WG
Vom Schmusehund zur Kampfbestie!
Die Sonne hat nicht immer genug Kraft zum wärmen.
In der WG lebten 3 junge Frauen zwischen 18 und 22 Jahren und zwei
Katzen. Celina hatte bisher noch keine näheren Kontakte mit Katzen
gehabt, doch die drei Frauen Kati, Maja und Jule ließen soviel
Geduld und Tier-Verstand mit einfliessen, das die schwarze Hündin
und die beiden schwarz-weiß gefleckten Katzen schon nach 4 Wochen
zusammen im Körbchen lagen.
Die Katzen Dascha und Minou hatten schon allerlei
Besucherhunde erlebt und zeigten sich neugierig aufgeschlossen.
Während die ältere Dascha vor allem genoss, angekuschelt an der
Hündin zu dösen, entwickelten Minou und Celina ihre ganz eigene
Art, in der Wohnung miteinander zu spielen.
Und selbst auf Spaziergängen sah man oft die
Katze Minou als Begleiterin an der Seite der großen schwarzen
wunderschönen Hündin. Celina mit ihrem sanften und sensiblen Wesen
war nach nur knapp vier Wochen der Mittelpunkt der Mädchen-WG und
die vertraute große Freundin der miauenden Samtpfoten.
Die Mädchen wurden öfter skeptisch-neugierig
nach der Rasse der schwarzen, kräftigen Hündin gefragt und
antworteten zielsicher und lachend: „Stoff-Terrier!“ Wenn die
Mädchen da so ausgelassen lachten, stand ihr „Stoff-Terrier“
glücklich die Rute schlagend daneben und ihr Vertrauen zum Partner
Mensch war wieder aufgebaut und unendlich gross.
Jule war mit 22 die Älteste und arbeitete als
Krankenschwester. Maja war ihre 18jährige Schwester, die gerade
eine Ausbildung zur Floristin machte und Kati eine 20jährige
Lehramt-Studentin, die auch die Katzen mit in die WG gebracht hatte.
Eigentlich war immer eine von den dreien für Celina da und wenn
Freunde kamen oder Urlaub angesagt war, dann war auch Celina dabei.
Auch lernten sie im nahen Stadt-Park Leute kennen,
die keine Angst vor Celina hatten und endlich durfte Celli, wie sie
nun meistens gerufen wurde, erstmals wieder offiziell frei laufen
und mit anderen Hunden spielen.
Celli dankte es mit Verlässlichkeit und absoluter
Unkompliziertheit. Das Leben war wieder leicht und Celina war es
auch. Das schönste Erlebnis war für Kati, als sie mit der Hündin
im Wald spazieren ging –Celli hatte inzwischen schon wieder rund
um die Uhr ihr berühmtes Lachen im Gesicht- als ein ca. 2jähriger
Menschen-Steppke auf den Hund zulief; „Hund-ei,Hund-ei“ rufend
und der Papa lachend in die Richtung von Kati und der
Staffordshire-Hündin rief: „Keine Angst, der will nur spielen“.
Celina liebte nach wie vor Kinder und ließ diese
tollpatschigen kleinen Finger mit einer beispiellosen Geduld durch
ihr Fell wandern. Ihr ausgelassenes Temperament schraubte sie dann
stets auf ein Minimum herunter und nie hätte sie ein Kind auch nur
aus Versehen umgerannt.
Celli war durch und durch ein verlässlicher Hund.
Ihre drei Frauchen hatten alle feste Freunde, aber auch diese hingen
mit männlicher Zärtlichkeit am schwarzen Vierbeiner und Celina
entwickelte auch wieder Vertrauen zu Männern.
Die Mädel-WG war in Celinas jungem Leben nicht
ihr erstes Zuhause. Doch ,ganz dem Wesen des treuen Freund des
Menschen entsprechend, zeigte Celli immer wieder die Fähigkeit,
sich neu und unvoreingenommen zu binden.
Ihre Sensibilität, ihr Willen dem Menschen zu
gefallen, machten aus ihr einen ganz besonderen Hund. Und alle, die
Celina, die schwarze Staffordshire-Hündin, kennen lernten,
freundeten sich schnell mit ihr an.
Einer sprach sogar von der „Wiedergeburt Lassies
im schwarzen Fell“! Und ihr Lerneifer, die schnelle
Auffassungsgabe, der Mut der Hündin, alles zu tun, was die Menschen
wohl erwarteten, gepaart mit eigener Kombinationsgabe, hätte selbst
Kommissar Rex blass werden lassen vor Neid.
Celina hatte alle Charakterzüge eines
gut-sozialisierten Staffs in sich verankert: kinderlieb, flexibel,
lernwillig, wasserfreudig, sozial, hohe Toleranzschwelle,
verspielt… Aber diese Wesenszüge sprach man dem
Staffordshire-Terrier allmählich ab.
Obwohl bereits Diskussionen um sogenannte
Kampfhunde immer lauter wurden (in denen die Warnungen von
Tierfreunden aber weiterhin komplett ignoriert worden), hatte Celina
eine glückliche Zeit und wurde allmählich ein sicherer Stadthund,
der auch brav mit Strassenbahn fuhr oder im Cafe artig unter dem
Tisch lag. Celina hatte gelernt, sich auf den Befehl „Mach fein“
zu lösen, so dass die Mädels etwas beeinflussen konnten, wo Celina
machte und es auch in dieser Beziehung keinen Anlass zum Ärger gab.
Alle hatten Spaß mit diesem tollen Hund! Celina
gehörte in ihrer Wohngegend einfach dazu und war wieder ein
fröhlicher ungezwungener und vor allem sehr sozialer Hund, der
liebte und geliebt wurde.
Ein Staffordshire-Terrier wie es viele gab und
doch ein ganz besonderer Hund, wie jeder Hund für seinen Menschen
etwas ganz besonderes sein sollte.
Dann passierte dieses Unglück in Hamburg, wo der
kleine Volkan von einem Hund der gleichen Rasse wie Celina tot
gebissen wurde. An diesem Unglück war der kleine Volkan 100%
unschuldig… …aber Celina doch auch!
Welche Schuld könnte die in Hannover lebende
Hündin an einem Unglück in Hamburg treffen?Wenn ein
Mercedes-Fahrer bei Rot über die Ampel fuhr, würde man ja auch nie
darauf kommen, allen Mercedes-Fahrern für vier Wochen den
Führerschein zu entziehen.
Dieses Unglück des kleinen Jungen Volkan war ohne
Frage mehr als schrecklich. Und so unnötig und grausam. Aber ebenso
ohne Frage war es nicht die Schuld der Hündin Celina! Dann
überschlugen sich die Presse-Meldungen mit Berichten über Opfer
von Kampf-Hunde-Attacken.
Denn endlich konnte die Presse Schlagzeilen
bringen. Der Staffordshire-Terrier…ein beisswütiger Kampfhund!
Tatsächlich gab es in zwielichtigen Szenen viele- vor allem junge-
Männer, die ihr nicht vorhandenes Selbstbewusstsein mit dieser
muskulösen Hunderasse aufpolierten. Darauf machten Tierfreunde ja
seit Jahren aufmerksam!
Gerade diese Hunderasse war bekannt dafür, alles
zu tun, was ihr Mensch von ihnen verlangte und wenn man nur
ordentlich suchte, fand man auch Menschen, die Opfer von
Beißattacken von scharf gemachten Hunden waren.
Und diese Opfer waren unschuldig. …aber Celina
auch! Doch Celina war jetzt nicht mehr der Stoff-Terrier aus der
Mädchen-WG. Celina war seit diesem tragischen Unglück „eine von
diesen“. Ein Kampfhund, eine Killer-Maschine, eine Bestie,
unberechenbar… Kein Lassie mehr! Und erst Recht kein Rex mehr!
Kein treuer Freund des Menschen!
Celina war auf einmal eine Gefahr für Menschen!
Und für andere Hunde! Schlicht für alles und jeden! Celina…über
die gestern noch die Menschen gelacht hatten, weil ihre Rute stets
und ständig wie ein Propeller im Kreis drehte und man befürchtete,
dass sie gleich in die Luft abhebe …war heute zum Kampfhund
auserkoren!
Nachbarn - die vor kurzem noch liebevoll mit
Celina geschmust und gespielt hatten- schrieen, wenn sie Celina
sahen. Drohbriefe flatterten ins Haus, Celina durfte nicht mehr frei
laufen, musste einen Maulkorb tragen…Mütter rissen ihre Kinder
hoch, wenn sie Celina sichteten, die Hündin durfte nicht mehr in
den Gemeinschafts-Garten des Wohnhauses der WG. Ältere Männer
liefen mit der Harke in der Hand hinter Celina her und ältere
Hausfrauen spuckten den Mädels und der Hündin vor die Füsse.
Gestern war Celli noch ein Idol unter den Hunden, wurde
gleichgesetzt mit berühmten Fernseh-Hunden wie Lassie und Kommissar
Rex…
Heute schon war aber Celina gefährlicher als
jeder überlebende Dinosaurier. Die Dreier-WG wurde unsicher wegen
der Reaktionen der Umwelt…Celina wurde unsicher, weil sich ihr
Leben wieder so schlagartig geändert hatte und all die
Unbeschwertheit war auf einmal wieder weg.
Ihre Menschen flitzten meist nur noch im Dunkeln
schnell mit Celli um die Ecke. Celli durfte weder in die
Straßenbahn noch ins Cafe und die ganze Lebenssituation war sehr
angespannt. Aber nicht einmal in all dieser Unsicherheit und Zeit
der Veränderungen und Anfeindungen hat Celina geknurrt oder gar
böse geguckt. In den wenigen Stunden, die Celina alleine war,
begann sie wieder ihre Unsicherheit herauszuheulen. Sie war nun
nicht mehr das süße schwarze Staff-Mädchen, der schwarze Engel
der 3er WG, sie war nun ein Kampfhund!
Der Vermieter duldete „das“ nicht mehr und
alle Gesetze und Nachbarn waren auf seiner Seite. Jule, die bisher
eh am wenigsten Kontakt zu Celina hatte, war inzwischen schwanger
und zog mit ihrem Freund zusammen.
Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte sie schon,
ihre Freundinnen und Celina so im Stich zu lassen, doch da die
Schwangerschaft nicht ganz komplikationslos verlief, war sie auch
noch mit ganz anderen eigenen Sorgen beschäftigt.
Maja hatte nun ihre Ausbildung beendet, nebenbei
hatte sie in der Abendschule das Abi nachgeholt und begann nun zu
studieren. Ausgerechnet am anderen Ende von Deutschland, in Bayern!
In diesem Bundesland, noch dazu im Studenten-Heim, brauchte sie
nicht Mal darüber nachzudenken, sich weiter um Celli kümmern zu
können.
Beinahe war sie ein bisschen erleichtert darüber,
die Verantwortung für den Hund somit abschieben zu können. Blieb
Kati, die alleine die Miete für die WG Wohnung nicht mehr
aufbringen konnte, keine neue bezahlbare Wohnung fand mit 2 Katzen
und einem so genannten Kampfhund und unter grossem Druck der
Öffentlichkeit stand. Ihr wurde sogar klargemacht, dass sie ihre
beruflich angestrebte Laufbahn als Grundschul-Lehrerin an den Nagel
hängen könnte, wenn sie sich weiter in der „Kampfhund-Szene“
rumtreiben würde! Ihre ganze Zukunft hing davon ab.
Ihre ganze Zukunft hing davon ab, sich für oder
gegen eine Zukunft mit dieser Hündin zu entscheiden. Kati war
nervlich am Ende und hielt dem Druck der Öffentlichkeit nicht
länger stand. In ihrer Not gab Kati eine Anzeige im
Tiermarkt-Anzeiger auf und gab Celina dem einzigen Bewerber mit, der
sich darauf meldete. Jonas erschien Kati mit seinen knapp 50 Jahren
als sehr vertrauenserweckend. Kati drückte die Katzen Dascha und
Minou weinend an sich, als Celina mit Jonas um die Ecke verschwand.
Sie spürte das ungute Gefühl in sich.
Sie spürte das Verlangen, Celina an sich zu
reißen und zu beschützen. Doch ihr alleine fehlte der Mut. Der
Mut, im Jahre 2001 einen Hund zu lieben, der ein schwarzer
Staffordshire-Terrier war.
So verschwanden innerhalb kürzester Zeit nochmal
sechs Menschen und zwei Katzen-Kumpel aus dem Leben der schwarzen
Staff-Hündin Celina, die doch bisher einfach immer nur artig
gewesen war. Und auch diese Menschen gaben, wie all die Menschen
zuvor, nicht nur Celina ab, sondern auch die Verantwortung für das
Leben der Hündin, die doch zuvor eine kleine Zeit lang das eigene
Leben so aufgewertet hatte.
6. Kapitel, Lebens-Station Nr.6
Mai 2001 (3 Wochen)
Celina wird als Kampfhund verheizt
In zubetonierten Hinterhöfen scheint fast nie die
Sonne. Jonas befand sich nun schon länger auf der schiefen Bahn,
Drogen und Alkohol hatten ihn seinen Job gekostet, seine Frau war
mit einem jüngeren Mann durchgebrannt, seine beiden Töchter hatten
sich angewidert von ihren Eltern abgewandt.
Jonas hatte einen immensen Schulden-Berg und sah
seine Chance mit Celina gekommen. Durch die ganze Panik- Mache in
den Boulevard-Zeitungen hatte der ehemaliger Journalist recherchiert
und wirklich Kontakt zur Kampfhund-Szene bekommen und er wusste, um
welche Gelder es da ging.
Jonas wusste auch, das man die eigentlichen
wirklichen Kampfhunde nie in der Öffentlichkeit sah und er wusste,
das diese Kampfhunde, die für Hundekämpfe eingesetzt werden, dem
Menschen nie was tun würden.
Sie mussten dem Menschen gegenüber den „Will-to-please“
aufweisen und das war eben auch ein Charakterzug der Staffs &
Co, der es überhaupt erst möglich machte, diese Rasse so zu
missbrauchen.
Also nahm er die inzwischen 5 jährige und sehr
kräftig gebaute und gut bemuskelte Celina mit. Es folgte eine
„Ausbildung im Hinterhof“. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
und wahrscheinlich fern der Phantasie der meisten normalen
Hundehalter:Celina bekam Schläge, mit Eisenstangen und noch
glühenden Holzscheiten, wurde getreten und schwer misshandelt,
immer dann, wenn ein anderer Hund in die Nähe kam, der wütend
bellte.
Es wurde mit Elektro-Schocks gearbeitet, die
Hündin musste hungern und dursten. Celina wusste kaum noch wohin
vor Angst -und genau das wars, was die Männer erreichen wollten:
Dass der Hund vor Angst irre wird! Nach 3 Wochen wurde ein bereits
gedrillter Hund auf Celina losgelassen. Dieser andere Hund hatte nie
etwas anderes gelernt, als andere Hunde zu töten und so ging er
auch auf Celli los.
Celina wehrte sich nicht, sondern kauerte sich
ängstlich in die Ecke und ergab sich ihrem Schicksal. Sie verstand
nicht, was passierte… …aber wenn die Menschen sie lieber tot
sehen würden, würde sie sich eben anstandslos totbeissen lassen.
Der Kampf wurde von den Menschen beendet. Die fremden Menschen
gingen lachend, spuckend und gröhlend mit ihrem Sieger-Hund davon
und ließen Jonas verachtend stehen.
Celina war sehr schwer verletzt, und Jonas
registrierte, dass er aus diesem Hund keinen Sieger in der dunklen
Szene machen konnte. Dafür war Celina einfach zu lieb. Trotz oder
gerade wegen ihrer Rasse-Zugehörigkeit und ihres anfänglich so
wunderbaren Lebensstarts. Wütend drückte Jonas eine Kippe auf dem
zerschundenen Körper von Celli aus und steckte diese dann in einen
Jute-Sack, lud den ins Auto und schmiss den Sack, dessen Inhalt die
verletzte Hündin war, bei nächster Gelegenheit über eine Brücke.
Keiner hatte ihn dabei gesehen.
Und wenn doch: Keiner würde sich mit ihm anlegen.
Menschen wie Jonas sind nicht unschuldig. Aber Menschen wie Jonas
sind stark, manchmal einflussreich, auf jeden Fall aber sehr
gewalttätig. Da ist es für die anderen Menschen und die
Boulevard-Presse halt einfacher, auf Hunde wie Celli zu schimpfen,
als auch nur einmal auf Menschen wie Jonas zu schimpfen.
Und diese Hunderasse dann zu verbieten, war
weitaus einfacher, als sich Gedanken darüber zu machen, welcher
Stelle unser gesamten Gesellschaft so versagt haben könnte, dass
Menschen wie Jonas so einflussreich werden konnten...
Zumindest einflussreich genug, dass lieber alle
beschämt wegsehen und NICHTS SEHEN WOLLEN! Jonas dachte an die
verwetteten Gelder, die ihm verloren gegangen waren. Und er freute
sich an dem Gedanken, dass der Hund wahrscheinlich noch nicht ganz
tot war und nun jämmerlich im Jute-Sack ersoff.
7. Kapitel, Lebens-Station Nr. 7
Mai 2001 ( 2 Tage)
Celina unter der Brücke
Ein selbstgewähltes Schatten-Plätzchen
Celina kam irgendwie aus dem verschnürtem
Jute-Sack frei, schwamm mit letzter Kraft an Land, schleppte sich
humpelnd weiter und leckte sich im Schutz von hochgewachsenen
Büschen unter einer anderen Brücke ihre Wunden.
Zwei Tage verbrachte sie dort. Dem Tod sehr nah.
Doch sie focht den einzigen Kampf, den sie jemals gekämpft hatte:
Sie kämpfte ums Überleben. Leise, still, alleine.
Ein Kampf - den sie nicht wissend- inzwischen mit
vielen anderen Staffordshire-Terriern teilte und nicht zum letzten
Mal kämpfen musste.

8. Kapitel, Lebens-Station Nr. 8
Mai 2001 (1 Tag)
Celina und Marius
Wenn ein Blick wärmt wie ein starker Sonnenstrahl
Marius, 12 Jahre, spielte manchmal an dieser
Stelle des Flusses unter der Brücke.
Der blonde Junge mit den Sommersprossen stand
gerade an der verwirrenden Schwelle vom Kind zum Teenie und er
genoss oft die Einsamkeit und Stille am Fluss.Er ließ dort gerne
seine Papierboote zu Wasser, aß alleine sein mitgebrachtes
Butterbrot und verzettelte sich in wilden Tagträumen, in denen er
stets der Held war
Marius hörte ein leises Wimmern, ein Stöhnen und
entdeckte die kraftlose Hündin. Er hatte viel mitbekommen von dem,
was mit sogenannten Kampfhunden passierte. …er hat auch seine
Mutter weinen sehen. Seine Mutter weinte um den kleinen Volkan…und
sie weinte um die vielen unschuldigen Staffs. Um die Opfer auf
beiden Seiten.
Die unschuldigen Leidtragenden! Um die Hunde, die
es nun auf einmal nicht mehr geben durfte. Hunde wie Celina. Seine
Mutter hatte oft gefragt: „Wo führt das nur hin, mein Kind?“
Marius beobachtete die schwarze fremde Hündin---er erkannte in ihr
die Rasse, vor der viele erwachsenen Menschen Angst hatten.
Marius hatte auch etwas Angst, vor allem aber
hatte er ein Gespür für Hunde und zögernd ging er Schritt für
Schritt näher an Celina, die ihn ebenso aufmerksam und auch etwas
ängstlich beobachtete. Marius redete mit der Hündin und Celina
begann mit der Rute zu wedeln.
Ein Kind, eine sanfte Stimme…da wusste die kluge
Hündin, das sie keine Angst zu haben brauchte. Und ihr kluges
Gesicht entspannte sich. Und der kluge Marius sah die Hundeschnauze
tapfer lächeln.
Er wusste, er spürte es in sich, dass dieser Hund
ihm niemals etwas tun würde. Und –noch ganz Kind- verließ er
sich auf dieses Gespür der reinen Wahrheit und näherte sich
langsam dem wimmernden Vierbeiner, der sich inzwischen ganz klein
machte und mit allem nur möglichen Körpersignalen anzeigte, dass
von ihm keine Gefahr ausginge.
Marius verstand. Er lächelte der Hündin zu.
Celina legte sich von Schmerzen gezeichnet seitlich -und die lange
Rute klopfte vorsichtig und freundlich auf den staubigen Boden. Der
Junge zog sein Brot aus dem mitgebrachten Rucksack und gab es Celina
zu fressen. Vorsichtig nahm sie Happen für Happen aus den Fingern
des kleinen Menschen.
Sie blickte ihn an. Marius blickte die Hündin an.
Und er hörte zu, wie sie mit stillem Augen-Aufschlag ihre ganze
Geschichte erzählte. Marius streichelte sanft über das schwarze
Fell der Hündin und er sprach mit ihr und erkannte die
Misshandlungen an Celina, soweit diese ein Kind erkennen kann.
Celina wedelte als Zeichen gegenseitigen Verstehens und Vertrauens
weiter mit der Rute.
Das Wedeln schmerzte ihren ganzen Körper und doch
konnte sie nicht anders, als die Freundlichkeit des Jungen zu
erwidern. Marius streichelte nochmal sanft die verletzte Hündin und
versprach ihr, Hilfe zu holen. In seinen Tagträumen hatte Marius
oft mit wilden Bestien gekämpft und ging als Sieger hervor. Hier
unter der Brücke am Fluss, gemeinsam mit der verletzten fremden
Hündin, begriff der 12jährige Junge auf einmal sehr viel von der
Welt und dabei spürte er unendlichen Zorn in sich.
Und er versprach der Hündin, dass dies nun seine
Chance war, wirklich ein Held zu werden. Und tief in sich, spürte
er, dass er bereits ein Held war. Ein Sieger. Weil er nicht verlernt
hatte, mit Tieren zu sprechen.
Sie auch stumm zu hören. Marius redete und redete
auf Celina ein, das er wüsste, dass sie kein böser Kampfhund sei.
Sondern eben einfach nur ein Hund…der beste Freund des
Menschen…und er erzählte ihr, dass er vielleicht noch klein sei,
aber in dem Augenblick,als er ihr in die Augen geschaut hatte, sehr
viel begriffen habe von der Welt und dass er nun versuchen wolle,
erwachsen zu sein, um der verletzten Hündin zu helfen.
Celina hörte aufmerksam zu und wedelte weiter mit
aller Kraft, die sie aufbringen konnte, verstehend mit ihrer
pechschwarzen Rute. In nur wenigen Minuten waren Marius und Celina
beste Freunde.
Marius spürte, wie sehr er diese Hündin
brauchte. Und die Hündin spürte, wie sehr sie dieses Kind
brauchte. Liebe! Entstanden in einem zärtlichen Augenblick des
Erkennens und Verstehens. Ohne wenn und aber. Einfach Liebe, sofort.
Wie sie eben nur Kinder geben und empfangen können.
Und Tiere! Marius eilte davon. Seine Mutter war
noch zur Arbeit, er wollte aber nicht mehr warten und fuhr
–ahnend, dass es ein Fehler sein könnte- zu seinem Onkel.
Der Junge erzählte die verworrene Geschichte vom
verletzten Kampfhund unter der Brücke, der kein Kampfhund sei und
schließlich folgte ihm der erwachsene Mann, der gerade begonnen
hatte, seinen wohlverdienten Feierabend mit einem Bier zu
begrüßen.
So kam Marius mit seinem sehr skeptischen Onkel
zurück zur Hündin Celina. Celina spürte sofort das Misstrauen und
die Angst des erwachsenen Mannes… Celina roch das Bier und extrem
verunsichert stand sie geschwächt auf.
Bereit, sich sofort zurück zu ziehen. Sie konnte
sich kaum auf den Beinen halten, aber dieser Mann, und dieser
Geruch, machten ihr Angst. Marius` Onkel hatte ebenfalls Angst und
nahm einen großen Ast zur Verstärkung und schlug damit vor sich
her in Richtung der verletzten Hündin, um diese zu beeindrucken und
zu verjagen. Dabei schrie er wilde Beschimpfungen dem Hund zu und
hielt mit einer Hand seinen Neffen zurück, der sich schluchzend zu
befreien versuchte und doch nur der Hündin helfen wollte.
Celina rannte in Panik davon. Noch viele Kilometer
hörte sie das verzweifelte Schreien voller verständnisvoller Liebe
des Jungen und in all ihrer Panik wurde ihr doch das Herz sehr
schwer, dass es ihnen nicht vergönnt war, gemeinsam nach einem Weg
zu suchen. Celina verschwand aus dem Leben von Marius, und Marius
verschwand aus dem Leben von Celina.
Doch auch wenn dieses gemeinsame Leben nicht
einmal einen halben Tag andauerte, so wussten beide, dass sie an
diesem Tag unendlich viel gelernt hatten.
Mehr, als manche Menschen in ihrem ganzen Leben
lernen. Sehen, verstehen, zuhören. Vorurteilsfrei aufeinander
zugehen. Signale des anderen wahrnehmen. Respekt vor dem anderen
Lebewesen. Vertrauen. Instinkt.
Dann begleiteten die panische Hündin bald schon
entsetzte Blicke und Angstschreie von Menschen, denen sie begegnete.
Andere Hunde bellten wütend, Sirenen-Geheul und immer mehr Panik
begleiteten ihren wahnsinnigen Run… …bis sie schliesslich
erschöpft zusammen brach...
Der Polizei-Beamte brachte die Hündin ins
Tierheim der nächsten Stadt.Dort wurde Celina versorgt und dann in
ein Auffang-Lager für solche Hunde-Rassen gebracht.
In einer grossen Stadt, mit einem grossen Hafen…
9. Kapitel, Lebens-Station Nr.9
Mai 2001-Juni 2003
Celina in Haft
Ohne Sonne erlischt jegliches Leben
Welcher Engel Celina bewachte, dass sie dort in
diesen Hallen nicht sofort eingeschläfert wurde und ob das wirklich
ein Engel war, das mag man als Mensch, der Hunde liebt, nicht zu
beurteilen.
In diesem Auffang-Lager für Kampfhunde saß
Celina 2 Jahre in einem 1,5 m² kleinem Draht-Käfig, der nicht mal
mehr der Bezeichnung Zwinger standhielt.
Ohne Sonnenlicht, ohne Beschäftigung, ohne
Zuwendung……aber immer mit viel Lärm und auch Gestank von den
anderen Hunden. Celina war gezwungen, in ihren Zwinger zu machen,
alle paar Tage wurde dieser mal gesäubert.
Bei diesen Säuberungen wurden die Käfige mit
einem kalten und harten Wasserstrahl ausgespritzt. Die Hunde hatten
keine Rückzugsmöglichkeit, keine Chance diesem Strahl
auszuweichen. Manche Hunde sprangen in wilder Panik hin und her,
wenn Menschen mit dem Schlauch in der Hand sich den „Zwingern“
näherten.
Anfangs sprang auch Celina auf, wenn diese Männer
kamen. Voller Hoffnung sah sie ihnen entgegen. Doch schon bald
merkte sie, dass nur kalter Hass oder Gleichgültigkeit zurückkam
und so blieb sie einfach still liegen.
Ruhig abwartend. Der anfangs so hoffnungsvolle
Blick immer stumpfer werdend. Und doch täglich ums Überleben
bettelnd! Manche Hunde schlossen ihre Augen für immer und erst
viele Stunden später, manchmal auch erst Tage später, bekam das
jemand mit.
In diesen Hallen herrschten das Wimmern, der
Geruch und die Angst von hunderten Hunden. Der Angst vor dem
sinnlosen Tod. Von „solchen Hunden“! Solchen Hunden! Hunden wie
Celli, einst sehr geliebt und geachtet. Nun missachtet. Einst
gebraucht. Nun missbraucht.
Celina sass die langen zwei Jahre dort zusammen
gekauert in einer Ecke auf nacktem, kaltem Beton.So eng in sich
zusammen gerollt, dass die anderen vor Verzweiflung und Angst schier
wahnsinnigen Hunde sie auch nicht durch das angrenzende Gitter ihres
Käfigs packen konnten. Ab und an kamen Menschen, die freundlich
schauten und 2-3 Hunde mitnahmen, manchmal kamen auch Menschen, die
nach Tod rochen und ebenfalls 2-3 Hunde mitnahmen.
Manchmal kamen 2-3 neue Hunde und da die jung
waren, gingen dann 2-3 alte Hunde weg… Wohin gingen sie nur? Warum
? Wie viele Hunde hat man in diesen Hallen zerstört? Wie viele
Kinder haben um diese Hunde, die ihre Freunde waren, geweint? Im
Juni 2003 kamen junge Menschen aus einer niedersächsischen
Tierschutz-Organisation.
In Niedersachsen hatte sich die Situation der
sogenannten Kampfhunde etwas entschärft und die Menschen begannen
dort zu begreifen, dass ein Staffordshire noch immer genau so ein
toller Hund sein konnte wie noch vor dem Jahrhundertwechsel. Die
Tierfreunde kamen, um fünf solcher Hunde mit aus diesen Hallen in
ihr Tierheim zu nehmen. Fünf, für mehr bot ihr kleines Tierheim
keinen Platz.
Die Tierschützer hatten schon viel gesehen und
erlebt, doch dieses Auffang-Lager trieb ihnen Tränen des
ohnmächtigen Zorns, hilfloser Wut und ohnmächtiger Trauer in die
Augen. Sie blieben an Celinas Käfig stehen.
Sie sahen den schwarzen Hund, der mit Narben
übersät, ängstlich in der Ecke kauerte. Sie sahen in die dunklen
Hundeaugen, die trotzdem dem Blick des Menschen standhielten - und
sie sahen:Hoffnung!
Und sie nahmen Celina mit in ihr Tierheim.
10. Kapitel, Lebens-Station Nr.10
Juni 2003 bis Oktober 2003
Celina im Tierheim
Vielleicht geht morgen die Sonne wieder auf
In diesem Tierheim bekam Celina einen Zwinger mit
Innen- und Außenbereich.Zum ersten Mal seit 2 Jahren konnte Celli
wieder die Nase an die Gitterstäbe drücken und den Wind spüren.
Sie konnte das Gras riechen, Schmetterlinge
beobachten, sehen wie die Sonne aufgeht und spüren wie das
staubige, stumpfe Fell vom Regen weich gespült wird. Wie die
prasselnden Regentropfen ihre Narben massierten…Celina konnte
erstmals wieder beim Atmen Luft holen!
Celina stand viele Tage im Außenbereich ihres
Zwingers und schien die lebendige Welt in sich einzusaugen.Sie nahm
keinerlei Kontakt auf, weder zu Mensch noch zu Tier, weder
freundlich noch böse, aber Celina stand da an ihrer Zwingertür,
die Nase im Wind, die traurigen Augen weit in die Ferne
gerichtet…und erfüllte ihren Körper nach und nach wieder mit
Leben und Lebendigkeit.
Sie fraß und trank. Es schien so, als hätte sie
abends Angst, dass am nächsten Morgen die Sonne nicht mehr aufgehen
würde. Oft weinte sie wie ein Wolf die untergehende Sonne an. Im
Tierheim taufte man die schwarze Hündin auf den Namen Angel.
Ein Mitarbeiter, Steffen, stand oft an ihrem
Zwinger und erzählte von seinem Tag und begann auch bald, mit Angel
spazieren zu gehen. Nach ein paar Wochen nahm Celina freudig zur
Kenntnis, wenn Steffen bei ihr stehen blieb und mit ihr redete oder
gar das Halsband für einen gemeinsamen Spaziergang umlegte.
Zwiegespräche zwischen Mensch und Hund. Celli gab den Weg zu ihrer
Hundeseele frei.
Angel-Celina lebte für Steffen.Sie trauerte nicht
ihrem alten Leben hinterher, als Hund verschwendete sie keinen
Gedanken an die gute alte Zeit. Sobald sie Steffen sah, spürte oder
roch, wurde ihre undurchdringliche Miene wieder ganz weich, die
inzwischen angegraute Schnauze zog sich zu einem breiten Grinsen und
die Rute drehte sich wieder so temperamentvoll im Kreis, dass der
Hintern mitwackelte.
Das schwarze Fell bekam trotz der vielen Narben
wieder einen seidigen Schimmer und Celina wurde durch die tägliche
Bewegung und Zuwendung beinahe wieder der schöne vor
Kraft-strotzende Hund, der vor etwas mehr als 7 Jahren in diese Welt
geboren und mit offenen Armen empfangen worden war. Und Steffen fand
immer ein paar Minuten Extra-Zeit um Angel zu streicheln oder
einfach nur mit ihr zu sprechen.
Er holte bald ein anderes Staff-Mädchen mit in
den Zwinger der schwarzen, sanften Angel. Die helle Kimba und Angel
freundeten sich an. Steffen träumte von einer gemeinsamen
Vermittlung der beiden so sanften Hundefreunde.
Denn Kimba war jung und ungezwungen,
verbotenerweise als Staffordshire im Jahre 2002 geboren, saß sie
seitdem im Tierheim und suchte eine Lebensaufgabe. Celina, jetzt ja
Angel, hatte noch immer soviel Liebe in sich.
Und die teilte sie nun auf für ihre Hundefreundin
Kimba und den Menschen Steffen. Vor anderen Menschen, besonders vor
anderen Männern, hatte Celina sehr große Angst. Sie kniff die Rute
ein, legte die Ohren an und kauerte sich knurrend und zitternd
zusammen.
Drehte der Bedrohung Mensch den Rücken zu. Sie
hätte niemals einen Menschen gebissen, doch das wusste ja keiner.
Manchmal schaute sie sehnsüchtig Kindern hinterher, die zu Besuch
im Tierheim waren -und darum beschloss man, diese Blicke völlig
falsch deutend, Angel keinesfalls an eine Familie mit Kindern zu
vermitteln.
Kimba fand dann doch Menschen, die sie lieben
wollten. Ohne Angel. Man machte sich im Tierheim die Entscheidung
nicht leicht, doch die helle Hündin Kimba hatte diese Chance
verdient und so trennte man, was man miteinander verbunden hatte.
Und gerade als Angel-Celina dem Leben wieder etwas Leichtigkeit
zusprechen wollte, verschwand wieder ein vertrauter Stützpunkt
einfach so aus ihrem Leben.
Kimba war weg! Ihre Nähe, ihr Geruch…einfach
weg. Und kehrte nie zurück, so sehr die schwarze Hündin auch die
Nase in den Wind hielt. Von diesem Moment an akzeptierte
Angel-Celina keinen anderen Hund mehr in ihrer Nähe. Wahrscheinlich
war das ihre Art, die Traurigkeit ihres Lebens und den Verlust der
Hundefreundin auszudrücken.
In der Woche darauf hatte Steffen auf dem Weg ins
Tierheim einen Unfall und kam ins Krankenhaus. Diesen Tag und auch
die Tage danach, wartete Angel-Celina vergeblich auf diesen
Menschen. Sie stand da, die Nase an die Zwingergitter gepresst und
versuchte, die Nähe von Steffen zu erschnuppern. Sie stand da und
dachte, wenn sie nur lang genug ihre Nase in den Wind drücken
würde, würde dieser auch den vertrauten Geruch von Steffen zu ihr
rüberwehen.
Sie strengte die Ohren an und hoffte doch so sehr
seine Stimme zu hören. Doch sie hörte sie nie wieder. Mit jedem
Tag des Wartens mehr schien die einst so wunderschöne Hündin auch
immer mehr in sich zusammen zu fallen, kleiner und dünner zu
werden.
Ein schwarzer Engel ohne Flügel. Verloren in
dieser Welt. Und doch noch in dieser Welt. Nach einer Zeit
vergeblichen Wartens resignierte die vom Leben so enttäuschte
Hündin und legte sich apathisch in eine Ecke ihres Zwingers.
Bereit zu sterben, auf den Tod wartend. Auf was
sollte sie auch sonst noch warten? Nur noch selten drückte sie die
Nase in den Wind …. Es spielte für die schwarze Hündin keine
Rolle mehr, ob die Sonne auf- oder unterging.
Man hörte sie nie wieder den Sonnen-Untergang mit
ihrer Stimme begleiten. Die örtliche Presse berichtete in einem
grossen Artikel von „Angel - dem schwarzen Engel ohne Flügel“
Diesen Artikel las Pferdewirtin Maren Maurer,
inzwischen 23 Jahre … Maren wohnte weit von ihrem damaligen
Zuhause und auch ihrer Lehrstelle entfernt. Und sie wollte einfach
nicht wahr haben, dass so weit von ihrem ehemaligen Zuhause und so
nah dran an ihrer jetzigen Heimat eine Hündin, enttäuscht vom
Leben und mit Narben gekennzeichnet, vor sich hinvegetierte, die sie
so stark an ihre Celina erinnerte.
Celina. Der Hund, der ihr viele Monate lang so
eine wichtige Lebensstütze gewesen war, den sie dann aber doch aus
ihren Gedanken verdrängt hatte.
Und doch… …dieses Bild in der Zeitung, diese
Augen… Maren haderte noch eine Woche, dann fuhr sie ins Tierheim.

11. Kapitel, letzte Lebens-Station
1. November 2003
Ein letztes Mal Celina und Maren
Wenn die Sonne für immer untergeht...
Maren stand am Zwinger der geschundenen Angel und
wusste doch sofort, dass dort ihre Celina saß…abgemagert,
entkräftet, enttäuscht von der Welt und trotzdem nie böse.
Maren wusste, dass sich dort ein Hund aufgegeben
hatte, der zwar ein Staffordshire-Terrier war, aber nie ein
Kampfhund. Maren wusste nicht, welche Schicksalswege Celina gegangen
war, aber sie sah der Hündin an, dass es nicht einfach gewesen war.
Dass es sogar mehr als schrecklich und hart gewesen war.
Maren liefen die Tränen in Sturzbächen übers
Gesicht…Sie hasste sich für ihre jugendliche Unbeschwertheit, mit
der sie damals das Schicksal ihrer Traum-Hündin einfach aus den
Augen verloren hatte. Sie hasste sich dafür, nie den Mund
aufgemacht zu haben, als andere Besitzer von Stafford-Shire-Terriern
für ihre Hunde kämpften und Hilfe erhofften.
Sie hasste sich dafür, noch diese Woche gezögert
zu haben, bis sie endlich den Mut aufgebracht hatte, ins Tierheim zu
fahren. Das alles erzählte Maren mit leiser Stimme der Hündin.
Ihrer Hündin. Celina, der schwarze Engel ohne Flügel, der stets
alles im Leben richtig gemacht hatte.
Und Celina schaute auf und wedelte als Zeichen des
Erkennens und Verstehens leise und kaum sichtbar mit der
Rutenspitze. Die Hündin Celina spürte zwar einen kleinen Funken
Glück in sich, aber viel grösser war die Angst. Und mit dieser
kalten Faust der Angst, die ihr Herz endgültig umgriff, bevor der
warme Funken der Liebe dort ankommen konnte, schloss die Hündin
Celina ihre Augen. Für immer.
Celina spürte die Streicheleinheiten, die Tränen
und die verzweifelte Liebe von Maren nicht mehr. Celina wusste
nicht, dass sich der kranke Steffen um sie sorgte.
Celina ahnte nicht, wieviele Menschen in diesem
Moment stumm um sie weinten. Celina starb allein.
Celina war ein schwarzer Staffordshire-Terrier.
Hinterm Regenbogen aber wird sie mit allen
Menschen und Hunden spielen, die genauso unschuldig Opfer wurden wie
sie, die schwarze Staffordshire-Hündin Celina. Und sie versprach
Gott in ihren letzten Atemzügen, allen Kindern dieser Welt ein
guter Schutzengel zu sein.
Denn die Kinder von heute sind die Erwachsenen von
Morgen, die wieder bereit sein werden, den Tieren und der Natur
zuzuhören.
Celina -
ein Engel ohne Flügel.
Ein Hund -
der beste Freund des Menschen !
Text © Tanja Leuschner Fotos © www.inselhunde.de
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