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Radar

Hurra ich lebe noch!
Ich dachte immer, daß nur Katzen 9 Leben haben, aber für mich als Hund
wurde anscheinend eine Ausnahme gemacht. Ich habe so schlechte Erfahrungen und
zugleich immer wieder so gute Erlebnisse gehabt, daß ich der Meinung bin, daß
meine Geschichte auch andere Zwei- und Vierbeiner interessiert.
Griechenland
Geboren wurde ich in Griechenland. Da mein Vater und meine Mutter den
verschiedensten Hunderassen angehören, bin ich ein sogenannter Mischling, wie
es hier sehr viele gibt. In Griechenland ist ein Hund nicht viel wert, erst
recht nicht so Mischlinge wie ich. Das erste Jahr lebte ich eher schlecht als
recht. Von der Pfote ins Maul. Mal hier, mal dort. Als Straßenköter muß man
schon ein Überlebenskünstler sein.
Eigentlich bin ich ein hübscher Kerl, die Hündinnen fliegen auf mich und
meinen Charme. Ich bin mittelgroß und habe langes, schwarzes Haar. Über den
Augen, ums Maul, in den Ohren, an Hals und Brust und an den Beinen bin ich
hellbraun. Mein Haar um die Ohren schimmert gegen die Sonne sogar leicht rötlich.
Ich bin ein schlanker Typ und sehr anpassungsfähig. Bei Menschen kann ich
meinen Liebreiz sehr gut spielen lassen. Deshalb konnte ich es auch gar nicht
verstehen, daß man mich in einen Brunnen geworfen hat, zum Glück in einen
trockenen. Kindern fiel mein Gejaule auf und so wurde mir das erste Mal das
Leben gerettet.
Eine liebe Frau fand mich ausgehungert und zerzaust am Straßenrand. Sie gab
mir leckeres Essen, das brachte mich wieder auf die Beine. Da sich kein Mensch für
mich interessierte, durfte ich in ihr Auto. Wir fuhren zu einem Haus mit Garten,
in dem noch viele Hunde waren, solche Mischlinge wie ich, die keiner haben möchte.
Ich hatte Angst vor der ganzen Horde und flüchtete erst einmal auf einen Baum
an der Mauer. Die Frau brachte mir Essen zur Mauer. Es dauerte zwei Tage bis ich
meinen ganzen Mut zusammen nehmen konnte, um wieder den Erdboden betreten zu können.
In diesem Haus gab es noch eine Frau, sehr sympathisch mit roten Haaren. Sie
sprach nicht griechisch, aber was sie sagte klang nett. Beide Frauen engagieren
sich für den Tierschutz. Einige von uns bekommen durch die beiden ein Zuhause.
 Radar noch in Griechenland
Hunde wie mich, nimmt die Griechin auf, damit wir nicht elend sterben müssen.
Sie versucht uns an nette Menschen zu vermitteln. Hier in Griechenland wird ein
Hundewelpe oft für die Kinder zum Spielen angeschafft, deshalb sind wir auch
sehr kinderlieb. Werden wir größer, machen wir Ärger oder werden wir krank,
dann versuchen die Menschen uns los zu werden. Die In-den-Brunnen-Werf-Methode
ist eine, andere Methoden sind verjagen, an einen Baum anbinden um zu
verhungern, vergiften, totschlagen und es gibt sogar Menschen, die uns
Glasscherben zu fressen geben.
Menschen versuchen uns mit ihrem Auto zu überfahren, das habe ich oft
erlebt. Ein toter Hund am Straßenrand wird dann nicht begraben, er bleibt
liegen, bis nur noch ein Skelett übrig ist. Von einigen Hunden habe ich
erfahren, daß sie jahrelang an einer Kette angeleint waren, oder sie haben in
einem kleinen Verschlag gelebt.
Viele Hunde leben ohne Besitzer einfach auf der Straße. Deshalb vermehren
wir uns auch sehr, wir sind nämlich sehr fruchtbar. Eine Mischlingshündin hat
schon mal 16 Welpen auf einmal geboren und das dann nicht nur einmal im Jahr.
Wir werden nicht alt und sterben oft an Hunger, durch Krankheit, von Autos
oder durch den Menschen.
Diese beiden tierlieben Frauen gaben uns Hunden zu essen und trinken,
versorgten Wunden, pflegten unser Fell und gaben uns Streicheleinheiten. Ein
Tierarzt untersuchte mich und Gespräche wurden geführt, daß ich einer der
wenigen Auserwählten bin, die verreisen dürfen. Ich hätte tolle Chancen in
Deutschland vermittelt werden zu können. Die Rothaarige verließ uns und ich
blieb noch einige Wochen bis zu meiner Abreise aus Griechenland.
In einer Box verstaut wurde ich im Auto über eine holprige Straße zum
Flughafen gefahren. Das war aufregend. Ich kann euch sagen: „So eine Reise ist
etwas Schreckliches. Ich wußte ja gar nicht, was mir passiert.“ Den Flug habe
ich nur schlecht verkraftet. Ich hatte eine solch schlimme Reisekrankheit, daß
man Blut in meinem Stuhl feststellte. In den ersten Tagen in Deutschland ging es
mir gar nicht gut.
Die rothaarige Frau hat mich in ihr Haus gebracht und
aufgepeppelt. Im Haus,
ich als Grieche im Haus, das war ich bis dahin gar nicht gewohnt. Ich bekam
einen Namen „Nelson“. In dieser Familie gab es noch andere Hunde, auch mit
griechischem Akzent und mir gefiel es dort recht gut. Nach zwei Tagen wurde ich
in ein großes Haus gebracht, wieder mit vielen Hunden, dort bekam ich einen
Zwinger, den ich mit einem Leidensgenossen teilte. Man sagte, es sei das
Tierheim.
Das
Tierheim
Menschen kamen am Zwinger vorbei, einige blieben stehen, manche streckten
sogar die Hand nach mir aus und sprachen zu mir. Ich bekam täglich zweimal zu
Essen, an einer Leine durfte ich spazieren gehen, aber diese Eingesperrtheit.
War es gut, daß ich dafür diese lange Reise gemacht habe? Mein Zellengenosse
wurde gewechselt, ich bekam eine hübsche junge Hündin zu mir, die war ganz schön
lebhaft.
Diese Hündin wurde hierher gebracht, weil ihr Besitzer sie nicht mehr haben
durfte. Andere Hunde erzählten mir, sie sind hergekommen, weil sie zu laut
gebellt haben, ein Baby in die Familie kam, jemand eine Allergie gegen Tierhaare
hat, oder weil die Familie umgezogen ist. - Menschen sind doch komisch. - Erst
wollen sie uns unbedingt besitzen, für sich, für ihr Ego, für die Kinder, als
Wachhund und dann, dann wollen sie ihre Hunde plötzlich nicht mehr. Hier in
Deutschland geht es geregelter zu. Die ungewollten Tiere steckt man ins
Tierheim, statt sie auf der Straße ihrem Schicksal zu überlassen oder
umzubringen. Aber, ist das so viel anders als in Griechenland?
Drei Wochen war ich hier, als einmal ein Pärchen vorbeikam. Sie eine
zierliche Frau mit langen, blonden Haaren und knallroter Jacke. Er war kräftig
und groß, so eine Art Beschützertyp. Seine Stimme war tief und angenehm. Sie
entschlossen sich, mich spazieren zu führen. Ich fand die beiden ganz nett. Wir
gingen den Feldweg entlang. Es war ein schöner, kalter Märztag. Die Frau hatte
etwas raschelndes in ihrer Jackentasche, das machte mich neugierig. Wir spielten
miteinander.
Ich zeigte mich von meiner natürlichen, charmanten Art. Als wir das
Tierheimgebäude wieder betraten, wollte ich die beiden gar nicht mehr gehen
lassen und legte mich einfach auf seine Füße. Die Chefin des Tierheims sprach
mit den beiden. Eigentlich war ich gar nicht der Typ Hund, den sie suchten. Sie
wollten ein Weibchen, groß und nicht so dunkel, also genau das Gegenteil von
mir. Dabei bin ich doch so ein putziger Kerl, kinderlieb, aufgeschlossen,
pflegeleicht, stubenrein, zwar noch nicht erzogen, aber im besten Alter damit zu
beginnen. Ich schaute sie mit meinen braunen, treuen Augen an und stupste, mit
meiner rauhen, krustigen Nase, die Hände der beiden. Das Paar blieb nicht sehr
lange und ich mußte wieder zu meiner Zellengenossin in den Zwinger.
Mein
neues Zuhause
Am nächsten Tag kam das Ehepaar wieder. Sie sprachen wieder mit der Chefin
über mich. Man tauschte einige Informationen aus. Eine Tüte Futter, einige
Papiere und eine Augensalbe wurden überreicht. Ich bekam eine Leine an und wir
machten einen Spaziergang zum Auto. Ich stieg mit ein und wir fuhren los. Heißa,
war das ein Spaß. Da kamen so viele Autos auf mich zu, ich dachte jedes fangen
zu müssen und bellte munter jedes entgegenkommende Fahrzeug an. – Die ganze
Fahrt lang. – Da ich circa ein Jahr alt sein soll, sagten die beiden, daß ich
ab jetzt an diesem Tag Geburtstag haben solle.
Wir kamen zu einem kleinen Haus mit großem Garten und vielen Bäumen. Hier
gefiel’s mir. Die Frau setzte sich zu mir auf den Boden und wir haben
gemeinsam die Unterlagen vom Tierheim studiert. Sie las, ich stupste sie mit
meiner Nase. Es gab Abendessen. Der Mann stellte es auf den niedrigen Tisch im
Wohnzimmer. Ich nahm gleich Anlauf, um der Erste auf dem Tisch zu sein, der
etwas bekommt. Dann haben die beiden mich ausgeschimpft. Ich mußte mich auf den
Boden setzen und warten, da habe ich ihnen den Rücken zugewandt und sie einfach
ignoriert. Später bekam ich mein Essen, der gleiche Fraß wie im Tierheim.
 Radar auf dem Hügel
Wir gingen täglich dreimal spazieren, morgens, mittags und abends. An einer
Leine, ich der immer frei laufen konnte, wie er wollte. Die Frau war der Meinung
mir etwas beibringen zu müssen. Manchmal, wenn sie ein Zeichen gab und etwas
sagte, tat ich es einfach, dann gab sie mir ein Leckerli. Erziehung von Menschen
ist doch was Feines. Wenn man zögerlich Sitz macht, wie sie wollen, geben sie
einem gerne etwas Leckeres und sagen: „Gut gemacht, Radar.“ Ach ja, einen
neuen Namen habe ich auch, Nelson war gar nicht so mein Fall. Radar sagen die
beiden zu mir, wegen meinen tollen Ohren, die sich wie Antennen drehen, wenn ich
Geräuschen lauere.
Jeder Tag wurde schöner. Es war Frühjahr, die vielen Bäume im Garten
bekamen ihre Knospen. Ich half beim Blumen pflanzen. Das Frauchen buddelte sie
ein, ich buddelte die Blumen wieder raus. Freunde mit Kindern kamen zu Besuch.
Ich mag Kinder sehr, selbst wenn der Kleinste mir mal auf dem Schwanz stand, es
macht mir nichts aus, das sind einfach liebe Geschöpfe. Wir Griechen sind, wie
schon erwähnt, sehr kinderliebe Hunde. Am Zaun in Nachbars Garten gibt es zwei
Hasen. Zu denen wäre ich ja ganz gerne mal rüber. Das fand aber keiner gut.
Herrchen nicht, Frauchen nicht und auch nicht die Nachbarn.
Ich hatte ein tolles Zuhause. Hier fühlte ich mich richtig wohl. Ich bekam
zweimal am Tag Futter, dreimal am Tag Spaziergänge, Streicheleinheiten und
einen warmen Platz zum Schlafen. OK, auch ein paar Erziehungsversuche von
Herrchen und Frauchen, die aber immer mit Leckerlis verbunden waren. Im Haus
suchte ich mir einen guten Platz in der Küche und schlafen wollte ich am
liebsten im Flur, vor der geöffneten Schlafzimmertür, ins kuschelige Bett
durfte ich leider nicht. Ich hatte einen schönen großen Garten, da brauchte
ich einige Zeit, bis ich alle Bäume zu meinem Revier markiert hatte.
Für einen Rüden wie mich ist diese neue Umgebung eine tolle Adresse. Die
haben hier Hündinnen, wow! Bei den Spaziergängen habe ich schon mal die ersten
Adressen ausgetauscht. Rund herum fühlte ich mich mischlingswohl. Herrchen und
ein Freund meinten es wäre Zeit, daß ich meine eigene Hunderasse bekam, und so
stieg ich vom Mischling zum „Griechischen Hühnerhütehund“ auf.
Wir fuhren mit dem Auto zu Freunden und Verwandten. Ich hatte immer wieder
viel Spaß mit den entgegenkommenden Autos. Herrchen und Frauchen gewöhnten
sich langsam an mein Gebell. Die Freunde und Verwandten testete ich. Ich liebe
Schuhe, der Geruch sagt viel über den Menschen aus, sowohl über ihn, als auch
darüber, wo er sich rumtreibt. Deshalb erkundete ich bei jedem, wie er
reagiert, wenn ich in seine Schuhe beiße oder die Schnürsenkel bearbeite. Die
meisten machten diese Spiel mit und das Spiel konnte schon mal eine Stunde
dauern.
Jetzt wo es mir gut gehen könnte ...
Ich hatte mich gerade so richtig eingelebt, zehn Tage, da fing ich an zu
taumeln, wie wenn ich einen Schnaps zuviel abbekommen hätte. Ich lief
Schlangenlinien durch den Garten und fand nur torkelnd meinen Weg. Herrchen und
Frauchen gefiel das gar nicht. Am nächsten Morgen besuchten wir das Tierheim.
Frauchen erhoffte sich Rat, da sie mich noch nicht so gut kannte. Die schauten
uns entsetzt an, als ob Frauchen mich zurückgeben oder umtauschen wollte. Eine
der vielen Tierheimhelferinnen schickten uns zum Tierheim-Tierarzt.
Im Wartezimmer des Tierarztes begrüßte ich die anderen Hunde neugierig,
freundlich, schwanzwedelnd und wir warteten geduldig bis wir an der Reihe waren.
Eine junge Tierärztin kam! Bisher hatte ich viel Glück mit Frauen. Sie
untersuchte mich, Abtasten, Blutabnahme, Röntgen und so weiter. Na ja, was
sollte ich machen, die waren in der Überzahl, da brauchte ich gar nicht erst
versuchen mich zu wehren. Am nächsten Tag ging es mir noch nicht besser, also
wieder zur Tierärztin. Das Beste an diesen Besuchen waren die Autofahrten. Ich
konnte meinem Hobby Autos jagen frönen. Frauchen gefiel mein Freudengebell gar
nicht. Sie sagte „Aus! Aus!“, aber laß sie doch reden.
Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich. Ich saß schief, mein Kopf hing
schief, mir war kotzübel, ich konnte nichts mehr fressen und hinten kam alles dünn
raus. Blöde Situation. Jetzt, wo es mir gut gehen könnte, geht’s mir
schlecht! In dieser Nacht erlaubte ich mir mich auf den Lieblingsplatz von
Frauchen zu legen, ihr Sofa mit ihrer kuscheligen Schmusedecke. Herrchen und
Frauchen erklärten mir, daß ich das nicht dürfe und halfen mir runter zu
meinem eigenen Platz. Als ob ich da nicht so eine Vorahnung gehabt hätte, was
noch alles auf mich zukommt. Ich gönnte mir heimlich diese Nacht auf dem Sofa.
Wir fuhren erneut zur Tierärztin, diesmal kam Herrchen auch mit. Oh, das
wird Ernst. Die schauten alle gar nicht gut drein. Die Tierärztin sprach etwas
von anmelden und Unterlagen schicken, wir sollten gleich losfahren. Sie wolle
auch das Tierheim informieren, wegen der Kostenübernahme. Wir unternahmen noch
eine Fahrt. Zu einem großen, innen gekacheltem, kahlen, kalten Gebäude. Wenn
ich die beiden richtig verstanden habe, war das eine Tierklinik.
Die
Tierklinik
Mein Glück war mir mal wieder hold. Ich sage ja, Frauen begleiten mein
Leben. Erst waren sie zu zweit, dann zu dritt und als würde es nicht reichen,
kam auch noch eine vierte Frau dazu. Zwei von Ihnen waren noch keine Ärztinnen,
sie studierten noch. Frauchen erzählte, was sie seit der kurzen Zeit von mir
wußte.
Ganz geschäftig wurde ich untersucht. Vorne, hinten, oben, unten, Auge, Ohren,
Schwanz und Pfoten. Nicht immer ganz zärtlich, wie ich es von diesem Geschlecht
eigentlich gewohnt bin, aber in dem Zustand, indem ich mich befand, war mir
alles egal. Mir ging es hundeelend!
Halsband und Leine bekam ich abgenommen und eine, wie man in Klinikkreisen
sagt, hauseigene Leine wurde mir umgehängt und ich wurde abgeführt! In eine
gepolsterte, kleine Box, die zum Stehen und Liegen gerade groß genug ist. Jede
Menge andere Hundeschicksale um mich herum.
Der eine ist angefahren worden, seine Chancen standen schlecht. Ein anderer
wurde von einem Hund gebissen. Da gab es welche, die hatten Schläuche mit
Infusionslösung, andere waren munter und wollten nur raus aus ihrer Box. Alles
schwerkranke Hunde, die um Ihr Überleben kämpften, und ich war jetzt auch
einer von ihnen. Es roch nach Urin, Kot und Tod.
Es kamen geschäftige Doktoren, die mich untersuchten. Ein Doktor kam und erzählte,
daß Frauchen mit ihm telefoniert hatte, fast jeden Tag, um von mir berichtet zu
bekommen. Sie bat ihn, mir Extrastreicheleinheiten zu geben. Aber jetzt, nach
einer Woche Aufenthalt und noch schlechter werdendem Gesundheitszustand, war mir
alles egal. Die Griechin telefonierte auch mit diesem Doktor. Ich glaube, es
wurde sehr viel wegen mir telefoniert zu dieser Zeit.
Warum dauert das alles so lange, bis die rausfinden, was mir fehlt? Mir
ging’s täglich schlechter. Dann, als ich den neunten Tag hier war, kam die
Nachricht – Diagnose Ehrlichiose – heilbar.
Ehrlichiose? Ich habe erfahren, daß die Ehrlichiose durch Zecken übertragen
wird und daß diese Zecken in subtropischen Gebieten unter anderem in den
Mittelmeerländern leben. Wird diese Krankheit rechtzeitig erkannt und
behandelt, sind die Heilungschancen günstig. In schweren Fällen kann diese
Krankheit nach Fieberschüben, Appetitlosigkeit, Atemnot,
Lymphknotenschwellungen, eitrigen Nasen- und Augenausfluß und Durchfall auch zu
Krampfanfällen, Muskelzuckungen und Lähmungserscheinungen oder Gelenkentzündungen
führen.
In Griechenland wurde ich zwar daraufhin getestet, aber ich muß mir wohl in
den letzten Tagen noch eine Zecke eingefangen haben, ohne daß es jemand
bemerkte. Nun bekam ich Antibiotika dagegen und es dauerte nicht lange, da
konnte ich wieder fressen, bellen und wedeln. Sechzehn Tage lang war ich jetzt
hier und habe alles überlebt. Wie sieht meine Zukunft aus? Was wird mit mir
noch alles passieren?
Das Frauchen kam. Ich war zwar noch schwach und dünn, aber mir ging es
besser, als an dem Tag, an dem ich hier her gekommen bin. Ich sah zerfranst und
zerzaust aus, mein Haar war matt und stumpf, ich war abgemagert bis auf die
Knochen und ich stank. Stank nach Urin und Kot. Ein Doktor gab Frauchen noch ein
paar gute Ratschläge und Tabletten mit und nichts wie raus hier, hin zum Auto.
Ha, aber ein Häufchen hab ich denen auf der Wiese noch gelassen.
Wieder
zu Hause
Die Autofahrt hat wieder großen Spaß gemacht. So viele Autos sind an uns
vorbeigebraust – Wuff, wuff. Ich habe mir sogar erlaubt über die Rückbank
nach vorne zu klettern. Unsere Reise führte uns nach Hause. Dort hatte ich mich
vor sechzehn Tagen noch so geborgen gefühlt, aber wie kann ich wissen, ob
dieses zu Hause mein Zuhause sein wird? Wenn es mir schlecht geht schieben die
mich einfach ab. Im Wohnzimmer habe ich diesen Vertrauensbruch damit gestraft,
indem ich gegen den Teewagen pinkelte habe. Herrchen und Frauchen haben erstaunt
zugeschaut und dann geschimpft. Denen zeig ich’s. Gegen das Kaminbesteck,
wieder eine negative Reaktion. Pff, mir doch egal. Ich war schwach, abgemagert
und hatte erbärmlichen Hunger. Die sollen mir erst mal beweisen, ob sie als
Herrchen und Frauchen taugen.
Hunger war meine größte Sorge. In den nächsten Tagen bewachte ich meinen
Schrank mit dem Futter. Ich ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Jedesmal, wenn
er aufgemacht wurde erwartete ich Leckerlis. Getrieben vom Hunger war ich sogar
bereit auf die Spüle in der Küche zu springen, um das einzuweichende Futter
schon mal zu probieren. Mein Vertrauen zu Herrchen und Frauchen mußte erst mal
wieder aufgebaut werden.
 Radar in seinem neuen Zuhause
Im Garten mußte ich alle Bäume neu markieren, da hatte ich
wieder einiges zu tun. Die Bäume hatten jetzt bereits Blätter und Blüten,
ich hab hier wohl einiges verpaßt. Die Häschen hätte ich auch ganz gerne auf
der anderen Zaunseite begrüßt. Wir machten täglich unsere drei Spaziergänge
mit Erziehungsversuchen. Ich traf meine Freundinnen. So langsam kamen meine
alten Kräften zurück. Ich fing gerade an mich wieder mischlingswohl zu fühlen.
Der
Angriff
Mein ganzes Glück dauerte diesmal fünf Tage. Es war ein Tag, an dem
Herrchen und Frauchen nicht zur Arbeit gingen. Abends unternahmen wir den ersten
größeren Spaziergang zu dritt. Nur ein kleiner Verband am Bein, wegen eines
Abszesses, wies darauf hin, was ich die letzten Wochen durchgemacht hatte. An
der letzten Ecke, kurz vor zu Hause, passierte es dann. Ein großer, kräftiger,
schwarzer Hund kam auf mich zugerannt. Komisch, der knurrte nicht, der bellte
nicht, der sprang einfach auf mich drauf und packte mit seinen Zähnen mein
Genick. – Ich hatte keine Chance.
Ich dachte: „Jetzt hat dein letztes Sekündchen geschlagen.“ Mein
Herrchen versuchte diesen Muskelprotz von mir runter zu kriegen. Zwecklos, da
war kein Halsband. Frauchen stand da, mit der Leine in der Hand, ganz
verdattert. Ein junger Mann kam. Herrchen und dieser Mann schafften es den Hund
von mir runter zu zerren und mich zu befreien.
Ich hatte einen Schock! Herrchen und Frauchen untersuchten mich. Ich blutete
nicht, konnte mich aber nicht mehr bewegen. Mit den Vorderbeinen stand ich, mit
den Hinterbeinen lag ich. „Am besten ich bewege mich gar nicht.“
Herrchen und Frauchen sprachen kurz mit dem Mann, der mit dem gemeingefährlichen
Hund auf der anderen Straßenseite stand. So ein Hund, der ohne Imponier- und
Drohverhalten ist, dürfe nicht ohne Leine und schon gar nicht ohne Halsband
sein. Sie sagten, daß sie mich sofort zum Tierarzt fahren werden. Sie ließen
sich von dem Mann die Adresse geben und baten ihn später anzurufen.
Ich wollte keine Bewegung machen, erst recht keinen Schritt, alles tat weh.
Herrchen trug mich nach Hause. Wir fuhren zum Nottierarzt. Bei dieser Fahrt
durfte ich mit Frauchen auf der Rückbank sitzen, damit ich die Autos nicht sehe
und bellend anspringe. Ich hätte es auch gar nicht gekonnt. Der Nottierarzt
untersuchte mich, wieder mal, wie ich jetzt schon so oft untersucht worden bin.
Er kannte mich schon vom Hören. Die Leute aus dem Tierheim hatten ihm von
meiner Ehrlichiose berichtet.
In seinem Nebenraum traf ich meine Zellengenossin aus dem Tierheim. Sie war
in einer Box eingesperrt, so eine wie in der Tierklinik. War sie krank?
Der Nottierarzt machte Röntgenaufnahmen von meiner Hüfte, dann bekam ich
eine Spritze und von der netten Assistentin ein Leckerli. Ich hatte zum Glück
keine Bißwunden, nichts war gebrochen, aber ich hatte Prellungen und Schürfwunden.
Mir wurde empfohlen, in der nächsten Zeit keinen Spaziergang zu machen.
Wenn ich gewußt hätte, wie lange diese spazierganglose Zeit werden würde,
hätte ich laut protestiert. Die nächsten Tage waren anstrengend, mir fiel das
Gehen und das Hinlegen schwer, mein Schwanz wollte nicht mehr wedeln und mit dem
Beinchen heben klappte es auch nicht. Ich mußte wohl oder übel in den
Damensitz zum Piepie machen.
Die Adresse von dem Mann, mit dem angriffslustigen Hund, war falsch! Herrchen
und Frauchen wollten die Polizei anrufen, als im gleichen Moment das Telefon
klingelte. Es war dieser Mann, der anrief, um sich nach meinem Befinden zu
erkundigen und er sagte, er wolle die Tierarztrechnung bezahlen. Nebenbei kam
heraus, daß er gar nicht der Besitzer dieses Muskelprotzes ist. Der Besitzer
wohnt in unserer Nachbarschaft und er hat seinen Hund nicht versichert. Na toll,
was kommt da noch auf uns zu?
Frauchen erfuhr am nächsten Tag, daß ich sehr großes Glück gehabt habe.
Der Muskelprotz, dem ich meinen traurigen Zustand verdankte, hat sechs Tage vor
mir eine Hündin angefallen, die ihre Verletzungen ganze zwei Tage in der
Tierklinik überlebte und dann starb. Ich hätte sie dort eigentlich noch
treffen müssen, aber sie wurde wahrscheinlich auf die Intensiv-Station gelegt,
die hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon hinter mir.
Das Frauchen dieser Hündin hat einen Zettel in allen Geschäften unseres
Ortes aufgehängt und sucht verzweifelt den Besitzer des angriffslustigen
Hundes. Zweifelsfrei der Gleiche. Frauchen ging zum Rathaus und erkundigte sich.
Der Hund war nicht angemeldet, sein Herrchen bezahlte noch nicht mal seine
Hundesteuer, so `ne Sauerei.
Beim Ordnungsamt bekam Frauchen erklärt, daß sie unbedingt eine Anzeige bei
der Polizei erstatten solle, sonst könne nichts unternommen werden. Frauchen
und das Frauchen der Hündin taten das und der Besitzer bekam Auflagen, seinen
Hund nicht mehr ohne Leine laufen zu lassen, sonst müsse er Strafe bezahlen.
Falsche
Behandlung
Im Garten durfte ich rumlaufen, wollte es aber gar nicht. Frauchen ließ
einige Freundinnen von mir kommen, damit ich etwas Hundegesellschaft hatte, aber
Rennen und Spielen ging nicht. Mir ging es wieder schlechter und schlechter. Mit
Frauchen fuhr ich noch mal zu meiner jungen Tierärztin. Die Fahrt machte zwar
Spaß, wie immer, aber alle Bewegungen waren so mühsam. Der Tierärztin gefiel
mein Blutbild gar nicht. Ich bekam die gleichen Tabletten, die auch von der
Tierklinik verschrieben wurden und wir konnten nach Hause fahren.
Mein Frauchen, daß ich jetzt sechs Wochen kannte, telefonierte mal wieder.
Mit der Rothaarigen, mit der Griechin, mit dem Tierheim. Alle kamen zu dem
Schluß,
daß ich das falsche Medikament bekomme und ein anderes schlucken solle. Die
Ehrlichiose habe ich wohl noch.
Die Rothaarige kam mit ihrem Mann mich besuchen. Ich freute mich sehr die
beiden wieder zu sehen. Sie brachte mir die richtigen Tabletten, säckeweise
Futter und Leckerlis mit, es war wie im Schlaraffenland.
Herrchen und Frauchen, die Rothaarige und ihr Mann trafen sich zum ersten
Mal. Sie sprachen über mich und überlegten, wie Sie mir helfen können. Die
Rothaarige wunderte sich über meine krustige, trockene, große Nase, die hatte
ich noch nicht in Griechenland und auch noch nicht in den ersten Tagen in
Deutschland. Es war auch nicht ganz klar, ob mein Gesundheitszustand durch den
Muskelprotz oder durch die Ehrlichiose so schlecht war. Man kam zu dem Schluß,
daß es jetzt wichtig wäre, mich aufzupeppeln und mir die mitgebrachten
Tabletten zu geben, dann müsse es mir bald wieder besser gehen. Normalerweise
wird dieses Medikament drei Wochen lang genommen und die Krankheit ist
auskuriert, es treten gar keine Komplikationen auf wie bei mir. In Griechenland
haben sie damit die besten Erfahrungen gemacht.
Trotz der neuen Tabletten ging es mir in den nächsten Tagen schlechter. Ich
konnte meinen Urin nicht mehr halten. Dadurch wurde ich aus dem Wohnzimmer
verbannt. Mir wurden die Plätze in der Küche und im Flur zugewiesen. Beim
Laufen bin ich ab und zu hingefallen. Mein Hinterteil hatte keine Kraft. Die
Nachbarhasen haben mich schon gar nicht mehr interessiert. Zum Glück hatte ich
zu dieser Zeit einen guten Appetit.
 Was ist bloß mit mir los?
Vier Tagen nach dem Besuch der Rothaarigen konnte ich kaum noch aufstehen und
wenn, dann unterstützten mich Herrchen oder Frauchen beim Laufen mit ihren Händen.
Die beiden sprachen, daß sie sich
große Sorgen um mich machten. Mein Vorderteil war intakt und aktiv und mein
Hinterteil knickte um. Ich gab ein ganz trauriges Bild ab. Es kamen Leute , die
meinten: „Das wird doch nichts mit dem.“ Von Einschläfern war die Rede.
Frauchen hat erfahren, daß meine Zellengenossin aus dem Tierheim an Staupe
gestorben ist. Staupe ist eine der bekanntesten und gefürchtetsten Hundekrankheiten. Sie ist
hochansteckend und endet oft tödlich. Ich war geimpft und das einzige, was
gegen eine Staupeinfektion hilft, ist ein vorheriger Impfschutz. Jetzt sollen
wir noch mal zu diesem Nottierarzt, um wieder eine Blutuntersuchung machen zu
lassen. Frauchen telefonierte wieder mit der Rothaarigen, mit der Griechin und
mit dem Tierheim.
Ich hörte, wie sie sagte, daß sie große Angst um mich habe und sie es
nicht zulassen würde, daß man mich noch mal in diese Tierklinik bringt. Ich
stand auf und lief zu ihr, legte den Kopf in ihren Schoß um sie zu trösten.
Letzte
Chance
Es half nichts, ich mußte zu unserem Nottierarzt. Ich wurde liegend
transportiert. Die Autos durfte ich nicht anbellen, es herrschte eine gedrückte
Stimmung. Mir war ganz mulmig zu Mute. Der Tierarzt wollte, daß ich vom
Wartezimmer ins Behandlungszimmer laufe, damit er meine Schritte beobachten könne.
Nein, den Gefallen tat ich ihm nicht. Frauchen mußte mich tragen. Ich machte es
ihr aber schwer, ich wollte nicht und robbte zum Ausgang.
Alle Gegenwehr half nicht, auf dem Behandlungstisch bin ich, wie so oft,
abgetastet worden. Mir tat nichts weh. Der Tierarzt hat mir Blut abgezapft.
Meinem Frauchen machte er den Vorschlag: „Der muß an den Tropf, am besten Sie
bringen ihn in die Tierklinik.“ „Nein!“ sagte Frauchen, „Alles, nur
nicht diese Tierklinik.“ Der Tierarzt meinte, er könne mich auch bei sich an
den Tropf hängen und dann würde er mich später genauer untersuchen können.
Frauchen stimmte unsicher zu und bestand darauf, daß er mir das richtige
Medikament gab. Ihr kamen die Tränen. Wir beide, sie und ich, hatten eine
schlimme Vorahnung.
Die netten Helferinnen des Tierarztes kamen. Ich wurde in den Nebenraum
gebracht und bekam einige Leckerlis, ich hatte noch nichts gefressen vor der
Untersuchung. Ich mußte in diese Box. Dieselbe Box, in der ich vor zehn Tagen
meine Zellengenossin aus dem Tierheim sah, als ich wegen des Angriffs des
Muskelprotz untersucht wurde.
Die Tage vergingen. Ich wurde untersucht und untersucht. Die nette Frau vom
Tierarzt machte mit mir Gymnastik und mit Hilfe eines Handtuchs Laufübungen.
Ich bekam ein Bad, das genoß ich sehnsüchtig, da ich erbärmlich nach meinem
eigenen Urin stank.
Ich war einsam. Ich war isoliert. Kein Hund durfte zu mir. Die netten
Assistentinnen trösteten und streichelten mich. Der Tierarzt untersuchte mich.
Seine Frau bewegte mich. Frauchen und die Rothaarige fragten täglich nach
meinem Befinden. Aber ich füllte mich nicht wohl, nichts im Vergleich zum
Zuhause. Die Nacht vertrieb ich mir mit Bellen, irgendwie mußte ich meinen
Unmut doch kund tun.
Fressen konnte ich gut, aber aufsteh‘n war nicht. Vorne war ich munter und
lebhaft und hinten wie ein schlaffer Sack. Wie querschnittsgelähmt, nur ein
paar Reflexe waren ganz schwach da. Die Meinungen über mich und meine Zukunft
gingen auseinander. Das Tierheim meinte, ich hätte Staupe und müsse eingeschläfert
werden. Der Tierarzt war mit unserer Situation nicht zufrieden, er konnte mir
mit meinem Zustand nicht weiterhelfen und die schlaflosen Nächte, die ich ihm
bereitete, waren ihm unangenehm. Eine Woche war ich jetzt dort. Er bat um
Entscheidung!
Die Rothaarige kam mit ihrem Mann. Frauchen kam auch noch. Sie trugen mich in
ein Auto und ich wurde zum Haus der Rothaarigen gefahren, das kannte ich von
meinen ersten Tagen in Deutschland schon. Die anderen Hunde mit dem griechischen
Akzent waren auch dort. Sie musterten mich, konnten mit mir, diesem komisch
schlaffem Etwas aber nichts anfangen.
Da kam ja auch Frauchen. Sie streichelte mich innig. Ich bekam ein Lager aus
Decken in der Diele gemacht, mit schönem Ausblick in alle Räume. Ein paar
Holzbretter wurden zwischen die Türrahmen gestellt, damit ich mir nicht die
ganze Wohnung hätte robbend erkunden können. Ich bekam leckeres Fressen.
Die Rothaarige zeigte Frauchen, wie sie mich, mit Hilfe eines Handtuchs,
durch den Garten geleiten konnte. Die Vorderbeine liefen ja gut, nur die
Hinterbeine hingen schlaff nach unten, der Schwanz war kraftlos und mein Urin
lief an mir nur so hinunter. Als ich wieder ins Haus gebracht wurde war Frauchen
fort. Es dauerte nicht lange, da kam der Tierarzt und brachte uns eine
schreckliche Nachricht: „Staupetest positiv!“ Was nun?
Staupeverdacht
– Isolationshaft
Die Rothaarige telefonierte. Nach einer Weile kamen Herrchen und Frauchen.
Sie sprachen mit der Rothaarigen und ihrem Mann. Man war sich einig, wegen der
hohen Ansteckungsgefahr dürfe ich nicht länger hierbleiben. Alle beschlossen,
ich dürfe wieder nach Hause.
Ich wurde also ins Auto gelegt und wir fuhren. Wir fuhren aber nicht nach
Hause „Nein, das ist doch das Haus vom Tierarzt!“ - „Nein, da will ich
nicht rein!“ Der Tierarzt und seine Frau redeten mit Herrchen und Frauchen.
Ich hörte „Staupeverdacht“ und „Viel Hoffnung gibt’s nicht.“ und
bekam eine Spritze.
Nichts wie raus hier, ins Auto, die Fahrt endete diesmal glücklich vor dem
Hoftor Zuhause. Glücklich? Nein, eigentlich nicht, keiner war glücklich, aber
ich war erleichtert Zuhause zu sein. Herrchen baute mir ein Brett in die Küche,
daß ich nicht mehr in den Flur konnte. Ich bekam ein Deckenlager am besten
Platz in der Küche, am Fenster neben der Haustür. Von hier aus hatte ich den
Überblick, durch den langen Flur, in alle Räume. Ich schlief müde aber
zufrieden ein.
Es kamen die zwei Tage an denen Herrchen und Frauchen nicht zur Arbeit
gingen. Mir ging es vorne gut und hinten schlecht, daß heißt, mein Hunger und
meine Laune waren gut. Ich konnte Späßchen machen. Mir tat nichts weh. Die
Vorderbeine machten was ich wollte, aber meine Hinterbeine gehorchten mir nicht.
Sie lagen schlaff und muskellos da, der Schwanz bewegte sich nicht und Urin und
Kot kam wie er wollten, nicht wann ich wollte. Herrchen und Frauchen taten was
sie konnten, ihre Gesichter waren aber nicht sehr hoffnungsvoll.
Mit der Rothaarigen machten wir eine Fahrt, auf einer Straße, auf der die
Autos nicht entgegen kamen, ich glaube das nennt man Autobahn, so wurde ich
leider um den Spaß des Bellens gebracht. Wir hielten vor einem sehr modernen
Haus und ich wartete mit Frauchen auf dem Bürgersteig im Schatten. Eine Frau
kam mit ihrem Hund an der Leine vorbei, Frauchen sagte zu ihr „Bitte nicht so
nahe, wir haben Staupeverdacht.“ Ich habe nie eine Frau so schnell einen Hund
hochnehmen sehen. Sie lief einen großen Bogen um uns. Die Rothaarige kam zurück
und wir durften in das Gebäude.
Es war auch eine Tierklinik. Es war warm, sauber und modern, ganz anders als
die andere Tierklinik. Ein junger Professor kam und sprach mit Frauchen und der
Rothaarigen. Und dann passierte etwas Schreckliches. Ich wurde wieder mal abgeführt,
wie ein Verbrecher, bellen hat da auch nichts mehr genützt. Am nächsten Morgen
wurde ich schlafen gelegt und untersucht. Als ich aufwachte war mein Hals ganz
kahl geschoren.
Nachmittags kam Frauchen und die Rothaarige und sprachen mit dem Professor:
„Leider keine gute, aber auch keine schlechte Nachricht.“ – „Myogramm
und Liquor ergaben keine Befunde.“ – „Staupe glaube ich nicht, sie ist
nicht nur auf das Hinterteil beschränkt.“ – „Ich kann Ihnen keine
Hoffnungen machen, aber es hat es schon gegeben, daß ein Hund trotzdem wieder
laufen konnte.“ – „Nein, es ist keine Tierquälerei, wenn Sie noch ein bis
zwei Wochen warten.“ – „Er hat keine Schmerzen.“ – „Gibt es
Verbesserungen, machen Sie weiter, bleibt sein Zustand so, oder verschlechtert
er sich, sollten Sie Konsequenzen ziehen.“
 Radar mit kahlgeschorenem Hals
Und was heißt das jetzt? Warum kann ich nicht laufen? Verzweiflung auf den
Gesichtern von Frauchen und der Rothaarigen. Kein Trauma, kein
Bandscheibenschaden, keine Rückenmarksschädigung, keine Infektion, keine
Staupe und auch keine Ehrlichiose mehr. Kommt die Lähmung von der Späterkennung
und Falschbehandlung der Ehrlichiose oder von dem Angriff des Muskelprotz? –
„Ich armer Tropf. Nein, denen zeig ich’s! Ich werde wieder laufen, auf allen
Vieren, wartet‘s nur ab, gebt mir die Chance.“
Allerletzte
Chance
Frauchen und die Rothaarige brachten mich zum Auto und wir fuhren nach Hause,
wieder über die Autobahn, damit ich meinen Spaß nicht habe. Herrchen war da.
Er machte dasselbe betrübte Gesicht wie Frauchen und die Rothaarige. „Eine
Woche, dann sehen wir weiter.“
Der Tagesablauf der nächsten Woche war wie folgt: Herrchen wachte auf. Er
machte mir die Haustür auf, ich robbte hinaus auf meinen Lieblingsplatz vor die
Tür. Dann nahm er den Schrubber und beseitigte meine Hinterlassenschaften.
Frauchen stand auf. Sie ging mit mir eine Runde durch den großen Garten. Gestützt
durch ein Handtuch, lief ich auf den Vorderbeinen dorthin, wo ich wollte. Bis
zur Tanne, da wollte Frauchen nicht drunter. Ich schnupperte hier und
schnupperte da. Ging ganz gut. Nur die Hinterbeine und der Schwanz hingen
schlaff hinunter. Herrchen verabschiedete sich und ging zur Arbeit. Frauchen
brachte mir Frühstück. Als Nachtisch bekam ich Tabletten auf leckerer Paste.
Ich bekam meine Streicheleinheiten und eine Massage und wurde auf saubere Decken
in die Küche gelegt. Frauchen zog sich saubere Kleidung an und ging auch zur
Arbeit. Mittagszeit, mein Magen knurrt. Frauchen kam heim. Tür auf, ich robbte
raus, Frauchen putzte. Rundgang durch den Garten, dann Mittagessen. Frauchen aß
auch eine Kleinigkeit, dann gings weiter. Streicheleinheiten, Gymnastik,
Rundgang durch den Garten, Massage. Frauchen telefonierte. Streicheleinheiten,
Rundgang durch den Garten, Massage. Herrchen kam von der Arbeit.
Streicheleinheiten, Rundgang durch den Garten, Massage. Abendessen und
Nachtisch. Streicheleinheiten, Gymnastik, Rundgang durch den Garten, Massage.
Wenn es dunkel wurde kam ich auf meine sauberen Decken in die Küche. Meine
dreckigen Decken wurden gewaschen und wenn das Piepsen vom Trockner rief, räumten
Herrchen und Frauchen auf und gingen ins Bett.
 Mit dem Handtuch unterwegs
So verliefen die Tage. Morgens, mittags, abends frische Decken. Jeden zweiten
oder dritten Tag wurde ich geduscht. Wasser mag ich zwar nicht, aber ich konnte
mich dann selber wieder riechen und wehren war nicht. Ich hatte zwischendurch
auch immer so mein Vergnügen. Wenn Frauchen die Nachbarhäschen am Zaun fütterte,
robbte ich hinterher und robben konnte ich ganz schön schnell. Ich klaute
Frauchen die Zeitung, wenn sie bei mir auf dem Boden saß und las. Einmal habe
ich ihr auch in die Hausschuhe gepinkelt, als ich darüber robbte. Wenn ich Geräusche
hörte, bellte ich. Egal, ob es der Hund in der Nachbarschaft war, dem ich
antwortete oder ein Auto auf der Straße oder die Vögel in der Luft oder die
Rolladen, die abends heruntergelassen wurde. Ich gab meine Meinung ab. Bellen
konnte ich wie ein gesunder Hund. Die, die mich nur hörten, merkten nicht’s
von meinem erbärmlichen Zustand.
Viele Verwandte von Herrchen und Frauchen, Freunde und Nachbar erkundigten
sich nach meinem Befinden. Deren Meinungen über mich und meine Zustand gingen
allerdings sehr auseinander. Angefangen vom guten Zureden bis hin zum „Das
wird wohl nicht’s mehr.“, alles war vertreten. Frauchen fand die Leute am
schlimmsten, die über meinen Zustand urteilten und mich gar nicht sahen.
Es gab eine, die ganz fest an mich glaubte, die Griechin. Und drei, die an
mich glaubten Herrchen, Frauchen und die Rothaarige. Ich dankte diesem Glauben
mit ersten Fortschritten. Kleine Fortschritte, aber Fortschritte. Mein rechtes
Hinterbein schlenkerte beim Laufen leicht mit. Ich zuckte mit den Beinen, wenn
die Bürste beim Kämmen über meinen Bauch streifte, ein leichtes Zucken, aber
ein Zucken. Meine Hinterpfoten zeigten Reflexe beim Kitzeln und dabei war ich früher
mal so kitzlig.
Die Griechin schickte Frauchen ein Geschenk. Einen schönen Schlüsselanhänger
mit blauem Stein und einem Amulett mit Sonnenmotiv. Frauchen hängte den Schlüsselanhänger
an meine Leine, die hing an dem Stuhl neben der Haustür. Sie sagte mir, daß
dieser Anhänger mein Glücksbringer sein wird, damit wir die Leine bald wieder
benutzen können.
Frauchen telefonierte wieder sehr viel. Ich kaute dann am liebsten an ihren
Schuhen oder bellte plötzlich los wegen irgend einem Geräusch.
Ich bekam Besuch. Der Mann von der Rothaarigen brachte eine Frau mit. Eine äußerst
schrecklich nette neue Tierärztin, die mich ganz herzlich liebevoll begrüßte.
Sie brachte ihren Koffer mit, in dem war ein Gerät das piepste. An einem Kabel
war ein bürstenähnliches Ding, damit fuhr sie ganz langsam über meine Wirbelsäule
und anschließend über meine dünnen, muskellosen Hüften. Die Behandlung
dauerte lange. Es war sehr angenehm, nur eine Stelle am Rücken mochte ich
nicht. Herrchen und Frauchen, der Mann der Rothaarigen und die Tierärztin
unterhielten sich, daß bei dieser Laserbehandlung die Akupunkturpunkte
getroffen werden und ich dadurch vielleicht bald wieder laufen könne. Einen
Versuch sei es wenigstens wert. Ein neues Medikament bekam ich auch noch zu
meinen bisherigen dazu. Ein homöopathisches Mittel, das die Wirbelsäule stärken
soll.
Frauchen fragte die Tierärztin mit dem Piepskoffer, wie sie von mir und
meiner Krankengeschichte erfahren hatte. Die erklärte uns, daß sie einem uns
unbekannten Tierarzt bei einer Operation assistierte und dabei ein Gespräch über
Fortbildung führten. Die Tierärztin mit dem Piepskoffer hatte auf einer dieser
Fortbildungen einen Videofilm über einen Hund mit ähnlichem Schicksal gesehen,
der dank dieser Laserbehandlung heute wieder Löcher im Garten buddeln kann. Der
operierende Tierarzt hatte wiederum von jemandem meine Krankengeschichte gehört.
Irgendwie bekam die Tierärztin mit dem Piepskoffer dann die Telefonnummer der
Rothaarigen und jetzt war sie hier um mich zu behandeln.
Herrchen und Frauchen und die Rothaarige versuchten alles, um mir zu helfen.
Die Rothaarige erfuhr von einem Medikament, das mir helfen könnte, es war aber
leider nicht in Deutschland zugelassen. Sie telefonierten bis hin zur
Pharmafirma, die dann leider mitteilte, daß dieses Mittel seit Jahren nicht
mehr hergestellt werde. Wir bekamen von dieser Firma dann trotzdem kostenlos ein
Paket mit einem ähnlichen Medikament, zugeschickt. Meine neue Tierärztin mit
dem Piepskoffer meinte, es sei leider nicht das geeignete für mich.
 Radar - immer noch neugierig
Eine Familie, deren Hund vor drei Jahren eine ähnliche Lähmung hatte, fand
Frauchen im Internet. Sie telefonierten miteinander und tauschten Informationen
aus. Dem Hund geht es heute ausgezeichnet. Dann schaffe ich das auch!
Die Tage vergingen. Der Tagesablauf war immer noch der gleiche. Meine Reflexe
wurden besser, ich wurde noch lebhafter. Frauchen versuchte, bei jedem Rundgang
durch den Garten, meine Hinterbeine aufzustellen. Ich sackte aber immer
zusammen. Die Kraft fehlte mir. Nach ein paar Tagen wurde die Laserbehandlung
wiederholt. Ich freute mich über die Besuche der Tierärztin mit dem
Piepskoffer. Frauchen erzählte ihr eifrig von meinen kleinen Fortschritten.
Dann kam der erste Reflex im Schwanz. Wenn Frauchen mich mit dem Handtuch hielt,
konnte ich stehen. Zuerst nur ganz
kurz, dann schon besser.
Machen
wir weiter?
Die Frist der Ultimatums-Woche war vorbei. Es wurde diskutiert „Reichen die
Fortschritte?“ „Sein Leben kann nur durch Laufen lebenswert sein!“
„Machen wir weiter?“
„Ja bitte, ja bitte! Ich zeige doch Fortschritte, bitte weitermachen!“
– Herrchen und Frauchen haben
mich verstanden. „Wir machen weiter!“
Der Tagesablauf verlief wie gehabt. Für Herrchen und Frauchen hieß das
immer noch Füttern, Streicheleinheiten,
Gymnastik, Rundgang durch den Garten, Massage, Decken waschen, Boden wischen
und, und, und. Ich half wo ich konnte. Ich fing an Frauchen entgegen zu robben,
wenn sie mit dem Handtuch kam. Durch mein Robben entstanden Schürfwunden.
Frauchen behandelte meine Hinterpfoten mit Creme und Pflaster, ich bekam Strümpfe
an.
Fressen sollte ich jetzt im Stehen, ich wurden hingestellt. Zuerst nur mit
Handtuchhilfe. Tage später wurde das Handtuch unter mir weggezogen. Ich stand,
ich stand alleine, zuerst nur einen Moment bis ich zusammensackte, das nächste
Mal etwas mehr und so immer länger. Frauchen stand breitbeinig über mir, damit
sie mir die Balance geben konnte, die ich noch brauchte. Mein rechtes Hinterbein
lief beim Gartenrundgang ständig mit. Ich konnte es zwar noch nicht gut
belasten, aber die Bewegung war da und die Muskulatur wurde gestärkt. Ich war
jetzt auch schon in der Lage mich, wenn ich lag, selbständig zu drehen. Wenn
ich auf die rechte Seite gelegt wurde, auf der ich nicht liegen wollte, drehte
ich mich flink auf meine Lieblingsseite. Frauchen und ich machten uns ein
kleines Spiel daraus. Und dann fing auch mein linkes Hinterbein an die ersten
Bewegungen selbst zu machen.
Ich bekam manchmal einen Kauknochen oder ein Stück trockenen Pansen.
Heimlich, wenn keiner zuschaute, bin ich zum Blumenbeet gerobbt und habe diese
Leckereien vergraben, um sie bei passender Gelegenheit wieder zu holen.
Ich wurde verwöhnt und ließ mich verwöhnen. Frauchen kochte Suppenfleisch
mit Nudeln oder Reis. Lecker! So lecker, daß ich mich weigerte anderes Futter
zu mir zu nehmen. Herrchen und Frauchen überlegten, ob es an meinem Futternapf
liegt, ich bekam eine andere Schüssel. Aber schmecken wollte mir nur noch
Suppenfleisch.
Meine Hinterlassenschaften, die ich noch nicht unter Kontrolle bringen
konnte, versteckte ich mit gekonnten Falttechniken unter meinen Decken. So wurde
Frauchen schnell klar, daß eine zerwühlte, zur Seite geschobene Decke ein Häufchen
bedeutete. Wenn ich eine Ecke der Decke allerdings faltete, machte ich auf eine
feuchte Stelle aufmerksam. Wer will schon auf einer nassen, dreckigen Decke
liegen.
Die zweite Woche war vorbei. Die Rothaarige kam und brachte eine Hündin mit.
Endlich wieder Hundekontakt, raus aus der Isolation. Da war ja immer noch dieser
dämliche Staupe-verdacht. Mit der Hündin spielen war noch nicht, aber ich
konnte mal wieder Geruch aufnehmen, das tat gut. Man unterhielt sich über meine
Fortschritte, die waren jetzt ganz deutlich. Frauchen war trotzdem manchmal ganz
schön entnervt, blaß und müde, ihr zuliebe bemühte ich mich noch etwas mehr.
Herrchen und Frauchen und die Rothaarige entschieden sich glücklicherweise zum
Weitermachen.
Frauchen las ein Buch über spezielle Massagetechniken für Tiere, ständig
probierte sie etwas Neues mit mir aus. Die Tierärztin mit dem Piepskoffer kam
und behandelte mich mit der Lasertechnik. Meine Medikamente nahm ich brav nach
Anweisung. „Das muß doch etwas werden mit mir. Ich zeig’s euch, bald kann
ich wieder richtig laufen und springen!“
Mein Tagesablauf ist immer noch derselbe. Rundgang durch den Garten mit Hilfe
des Handtuchs, Essen mit Nachtisch, Massagen, Streicheleinheiten, robben, Schürfwunden
versorgen. Frauchen putzte die Küche, wusch die Decken, telefonierte, las
Massagetips und probierte sie bei mir aus. Eine spezielle Schwanz-zieh-technik
verhalf mit, meinen Schwanz selbst zum wedeln zu bringen. Bei den Rundgängen im
Garten hatte ich es mit den Vorderbeinen manchmal so eilig, daß Frauchen
Schwierigkeiten hatte hinterher zu kommen. Vom Zaun bis zum Gartentor, in
Null-Komma-Nix und Frauchen war außer Puste.
Im Hinterkopf bei uns allen war zwar noch der Staupeverdacht, aber wenn ich
wirklich Staupe gehabt hätte, müßte es mir schlechter statt besser gehen. Und
deswegen erlaubten wir uns einen Ausflug vor das Gartentor. Wir gingen mit Hilfe
des Handtuchs den Gehweg vor dem Grundstück einmal auf und ab. Ich konnte
endlich schnuppern wer so vorbeikam. In unserer Hundesprache nennen wir das
Zeitung lesen. Für mich war das eine sehr wichtige Abwechslung, die ich jeden
Abend forderte.
Werde ich
wieder der Hund, der ich mal war?
Meine Hinterbeine und die Hüften bekamen langsam Kraft. Diese Fortschritte
setzte ich um und probierte das erste Mal alleine aufzustehen. Auf allen vier
Beinen. Nach einem ganzen Monat liegen. Ich habe nicht verlernt wie das geht.
Nach ein paar Übungen schaffte ich schließlich einen ganzen Meter zu meinem
Futternapf. Frauchen jubelte und ich wedelte mit dem Schwanz.
Einmal hatten wir ein schönes Unwetter, ich habe ja schon viele Gewitter
erlebt, aber diesmal donnerte und blitzte es so sehr, daß ich vor lauter Angst
meine Barriere in der Küche überkletterte und robbend ins Wohnzimmer zu
Herrchen und Frauchen flüchtete. Sie schimpften nicht, sie freuten sich eher,
daß ich das ganz alleine gepackt hatte und ich wurde getröstet bis das
Gewitter vorbei war.
Daß ich mich bemühte stubenrein zu werden, zeigte ich Frauchen auch, indem
ich versuchte meine Urinpfützen nur noch draußen zu machen. Das gelang nicht
immer, erst recht nicht wenn Frauchen von der Arbeit kam und die Haustür
aufschloß. Da stand ich jetzt schon wartend hinter der Tür, aber vor Freude
rieselte es an meinen Beinen herunter, sie war eben nicht schnell genug. Ab und
zu verlor ich auf diese Weise auch mal ein Häufchen, es war mir sehr, sehr
unangenehm, aber was sollte ich machen, das ließ sich noch nicht kontrollieren.
Durch Laufen und Robben konnte ich mich nun gut selbständig durch den Garten
bewegen. Ich bekam eine Rennbahn aus einigen Teppichen und Decken über den Hof
zum Rasen gelegt, damit meine Schürfwunden nicht ganz so schlimm wurden. Ich
war dadurch in der Lage, in einem Rutsch bei den Nachbarshäschen zu sein, wenn
Frauchen ihnen Löwenzahn rüberreichte. Das mochte ich gar nicht, sie soll sich
um mich kümmern, mich alleine.
Ich konnte zwar jetzt schon gut ohne Hilfe laufen, aber meine Kraft hielt
nicht sehr lange vor. Morgens hielt meine Kraft länger, abends machte ich öfters
schlapp. Da meine Vorderbeine aber sehr viel Kraft entwickelt haben, robbte ich
eben das restliche Stück. Frauchen wechselte dann meine durchgeschürften Verbände
und die durchgeschürften Strümpfe. Ich bin ja bekanntlich ein hilfsbereiter
Hund und half natürlich gerne beim Verbinden. Das Pflaster wurde gelöst und
ich durfte es abreißen. An den neuen Verband ließ Frauchen mich nicht gerne,
trotzdem half ich. Anfangs wählte Frauchen farblich passende Strümpfe, später
gab ich mich auch mit gelb oder lila zufrieden. Sah witzig aus zu meinem Fell.
Ich glaube so circa zwanzig Strümpfe habe ich wohl schon durchgescheuert.
Frauchen machte ab und zu Fotos von mir, ich hatte daran aber keinen Spaß
und drehte mich weg, legte mich in den Schatten oder kam einfach auf sie zu,
bevor sie das Foto knipsen konnte. Ein paar Bilder hat sie trotzdem hingekriegt
und deshalb fuhr sie zum Tierheim, um meine Fortschritte schwarz auf weiß
beziehungsweise in Farbe zu dokumentieren. Sie war sehr stolz auf mich und meine
Fortschritte, sonst hätte sie das bestimmt nicht getan.
Zwischen den Besuchen von meiner Tierärztin mit dem Piepskoffer bekam ich
wieder mal Besuch von der Rothaarigen. Die brachte ihren Mann und die beiden Hündinnen
mit dem griechischen Akzent mit. Zwei nette Girls, ich hätte gerne mit ihnen
gespielt, da es aber schon später Nachmittag war, hatte ich nicht mehr die
beste Kondition. Die beiden waren von meinem Zustand etwas voreingenommen und
wollten mit dem, der sich so komisch bewegt, nichts zu tun haben. Die eine war
mehr an den Hasen interessiert, die andere untersuchte meinen Garten. Aber eine
nette Abwechslung war es schon für mich.
Unser normaler Tagesablauf war immer noch wie gehabt. Ich war jetzt schon so
fit, daß mich Frauchen bei den Rundgängen durch den Garten zwar begleitete,
wir das Handtuch aber nicht mehr brauchten. Es kam wieder Besuch. Eine
Tierexpertin. -Besuch für mich ganz alleine. Ich begrüßte sie, sprang hoch
und stand auf meinen Hinterpfoten. Frauchen war baff! Auf den Hinterpfoten!
Die Tierexpertin legte sich zu mir auf die Decken und begann mich zu
schmusen, kuscheln, kraulen und massieren. Sie versuchte mit ihren Händen
meinen Körper und dessen Zustand zu erfassen. Ich war so begeistert von dieser
Frau, wie die massieren kann. Sie zeigte Frauchen einige Massagetricks, die wir
noch nicht kannten. Die beiden sprachen davon, daß diese Methode
Tellington-Touch heißt und man sagt, es wäre ein neuer Weg zur Verständigung
mit Tieren. Frauchen hat durch die Bücher schon den Maul-Touch, den Ohren-Touch
und so diverse anderes Touches bei mir ausprobiert, aber jetzt weiß sie auch,
wie der Waschbär-Touch und der Muschel-Touch geht.
In den folgenden Tagen kam ich mir vor wie ein sogenanntes Versuchskaninchen.
Alle diese Touches wurden ausprobiert. Es war angenehm, nur an die Hüften
wollte ich Frauchen nicht lassen. Das war unangenehm und war wahrscheinlich
Muskelkater vom Laufen. So entwickelten wir das Spiel „Tust Du mir weh, tu ich
Dir weh.“ Wenn’s mir nicht gefiel, knapste ich Frauchen in den Po oder
Schenkel, wie’s grade so kam.
Sechs Wochen nach den ersten Lähmungserscheinungen, was konnte ich schon und
was nicht: Ich war in der Lage selbständig zu laufen. Noch nicht lange, aber
ich sah schon wieder aus wie ein richtiger Hund. Mein linkes Bein machte zuerst
schlapp, die Hüften waren noch etwas dünn, die Muskulatur fehlt noch. Liegen
ging gut, nur beim Hinlegen hatte ich so meine Schwierigkeiten.
 Radar´s Liegetechnik
Wenn ich die Vorderpfoten nach vorne ausstreckte und den Kopf zu Boden legte,
den Po nach oben gestreckt, mich über die Seite abrollte, ging’s am besten.
Sitzen klappte noch nicht, wedeln schon ganz gut, auch wenn mein Schwanz einen
Linksdrall hat. Beinchen heben hatte ich auch noch nicht probiert, aber ich
merkte ja sowieso noch nicht wenn’s pieselt. Wenn ich mich zum Häufchenmachen
hinhockte, bereitet mir das auch noch Schwierigkeiten. Ich ließ es halt fallen.
Wir hatten kleine Spaziergänge zur rechten und linken Nachbarschaft angefangen
oder mal bis zum Zigarettenautomat in der Nähe. Und weil’s so gut mit dem
Laufen klappte, spielten wir mit dem Ball. Ich durfte ab jetzt mit zum
Briefkasten die Zeitung und die Post tragen. Zerkauen durfte ich die allerdings
nicht, ich tauschte sie dann mit einer Belohnung. Meine Nase war immer noch
trocken und rauh wie Schmiergelpapier, dagegen bekam ich von meiner Tierärztin
mit dem Piepskoffer noch ein neues Medikament und Frauchen schmierte mir Creme
auf die Nase. Sie hatte auch noch einen Nasen-Touch ausprobiert, der aber nicht
besonders bei mir ankam.
 Radar
Zu meinem Namen „Radar“ kamen noch einige Spitznamen hinzu.
„Kerlchen“ wird benutzt, wenn Frauchen über mich redet. „Schnauzbär“
wird zu mir gesagt, wenn wir mit dem Bällchen spielen oder ich beim Decken
ausschütteln helfen möchte. Als „Schlawiner“ werde ich tituliert, wenn ich
die Regeln nicht einhalte, die da wären: Nicht ins Gemüsebeet klettern, Schuhe
nicht durch die Gegend schleifen und Leckerlis nicht im Blumenbeet
verbuddeln. Dann gibt es noch „Strullbacke“ oder „Stinkstiefel“, die
haben meistens mit gewissen Unreinheiten meinerseits zu tun, werden aber von
Herrchen und Frauchen in netter Art benutzt. Die Variante „Raaehdaar“ wird
gerufen, wenn ich kommen soll und „Ra-dar“ wenn‘s Ernst wird.
Meine Tierärztin mit dem Piepskoffer, die fleißig mit mir die
Laserbehandlung machte, kam um mir Blut abzunehmen. Die Werte waren wichtig um
festzustellen, wie mein Körper die ganzen Medikamente verkraftete. Ein Anruf
der Tierärztin stimmte Herrchen und Frauchen froh, denn alle Werte seien soweit
in Ordnung. Mein Staupewert sei auch besser.
Die Tierärztin mit dem Piepskoffer hat herausgefunden, daß mein Staupetest
logischerweise positiv sein mußte, da ich im Tierheim gegen Staupe eine zweite
Impfung bekam. Das wäre vor sieben Wochen fast mein Todesurteil gewesen.
Frauchen lies sich von unserer ersten jungen Tierärztin die Blutwerte
schicken, damit diese Werte mit meinen derzeitigen Werten verglichen werden
konnten. Dabei war auch ein Laborbericht, der die Ehrlichiose bestätigte. Das
Datum dieses Ergebnisses war das Datum meiner Einlieferung in die erste
Tierklinik. Die haben dort komischerweise aber noch neun Tage gebraucht, um auf
dasselbe Ergebnis zu kommen. Und zu allem Überfluß stand auf diesem Papier
auch noch die richtige Behandlung drauf. Wie kann denn so etwas passieren?
Mir hätte es viel früher besser gehen können, meine Krankheit hätte gar
nicht schlimm werden müssen. Können die in der Tierklinik nicht lesen, oder
haben die diese Papiere von der ersten Tierärztin gar nicht gekriegt?
Jetzt endlich, zweieinhalb Monaten nach dem Spaziergangverbot war es soweit,
wir sind wieder gesellschaftsfähig! Ich schaffte meine erste komplette normale
Runde. Zwar noch sehr wackelig und mit vielen Pausen, aber ich hab’s
geschafft! Einen Tag später kam Herrchen heim und sagte, daß er den schwarzen
Muskelprotz wieder ohne Leine gesehen hat.
Danke an alle, die mir geholfen haben.
Danke, daß ich leben darf!
 Radar - endlich kann ich wieder alleine laufen
Schlußwort
von Frauchen
Radar kam im Frühjahr 1999 zu uns und diese Geschichte endete im Herbst des
selben Jahres. Heute ist er ein fideler lauffreudiger Hund und wir sind froh ihn
bei uns zu haben. Er kam als getesteter Hund und wir hatten sehr engagierte
verantwortungsvolle Tierschützer, die ihn in unsere Hände gaben.
Leider wurden wir mit dem Thema Krankheit konfrontiert. Radar konnte nichts für
seine Krankheit und deshalb mußte ihm geholfen werden. Eine Ehrlichiose kann
jeder durch eine Zecke bekommen. Das Risiko ist im Mittelmeerbereich größer,
aber es gibt sie auch bei uns in Deutschland.
Radar`s enormer Lebenswille und seine Lebensfreude gab uns die Kraft und den
Mut weiter zu machen und alles durchzustehen. Wir wollten nicht resignieren.
Kranke brauchen unser Hilfe und diese Hilfe konnten wir ihm geben. Wir haben
viel erleben und erfahren können, zu jedem negativen Ereignis gibt es auch
positive Eindrücke, an denen lernen und wachsen wir. Eins ist uns ganz klar
geworden: Kein Lebewesen ist perfekt, egal ob Hund, Mensch oder Tierarzt.
 Radar im Tunnel
Auf diesem Wege möchten wir allen danken, die uns unterstützt und von denen
wir Zuspruch erhalten haben.
An erster Stelle möchten wir uns allerherzlichst bei der "Rothaarigen
und ihrem Mann" bedanken. Die beiden haben uns von der großen Last der
Kosten befreit und uns durch ihr Engagement und Ausdauer stets hilfreich zur
Seite gestanden. Sie ließen sich nicht entmutigen und halfen uns immer wieder
neue Wege aus einer aussichtslosen Situation zu finden. Es ist ein seltenes Glück
solche Menschen kennenlernen zu dürfen!
Wenn wir mit diesem Beitrag ein paar Seelen erreichen, die über Tierschutz
oder Krankheit etwas nachdenklich werden, ist das gut. Wir würden uns freuen,
wenn jeder ein kleinwenig mehr über seine Mit-Lebewesen nachdenklich wird und
mit Rat, Tat und Herz hilft.
 Radar - wieder fit und munter
Viele die seine Geschichte gelesen haben fragten uns was denn nun
letztendlich der Auslöser der Lähmung war. Das wissen wir leider nicht zu
100%. Die einzige Diagnose, die
klar feststand, war die Ehrlichiose, alle anderen Ursachen wurden eigentlich
ausgeschlossen. Auch seine schlechten Blutwerte sprachen für die Ehrlichiose.
Egal, außer einer ganz kleinen Blasen- und Darmschwäche ist er ein fideler
Hund.
Radar ist ein aufgeschlossener Hund. Bei allen Erwachsenen und Kindern läßt
er sofort seinen Charme spielen. Schmusen, fressen und ausgedehnte Spaziergänge
liebt er über alles. Wir machen ein bißchen Gartenagility, damit sein ausgeprägter
Dickkopf spielerisch lernt und ab und zu überrascht er uns mit einer
Schlawiner-Geschichte. Wir sind froh, daß wir ihn haben.
Ein glückliches Team, Dani & Radar
Mai 2011
Der Tag ist gekommen,
und alles war wie immer.
Der Tag ist gegangen,
und nichts war mehr wie zuvor.
(Der Verfasser ist mir unbekannt)
Radar hatte sich am ersten Tag in unser Herz geschmuggelt. Unser Kerlchen, wie wir ihn am liebsten nannten wenn wir über ihn sprachen, hatte einen beschwerlichen Anfang und ein beschwerliches Ende. Er gab uns medizinische Rätsel auf und brachte selbst Tierärzte intensiv zum Grübeln. Dazwischen, das waren immerhin 12 sehr schöne Jahre, haben wir Lebenspower pur, erzieherische Herausforderung, schlawinerhafte Allüren, charmante Umgangsformen, kilometerlange Fitnessspaziergänge, schelmische Streiche, zärtliche Kuschelstunden und stets einen gutgelaunten Hund erlebt.
Radar, Du warst ein Glückshund, weil Du die Chance bekamst nach Deutschland zu kommen. Hier hattest Du das sichere Zuhause und die Geborgenheit die jedes Lebewesen braucht. In Athen wärst Du vermutlich schnell unter die Räder gekommen und hättest nicht 13 Jahre alt werden dürfen.
Radar, Du warst ein Wunderhund, weil wir uns immer wunderten welche gesundheitlichen Aufgaben wir mit Dir lösen konnten. Da war die Lähmung der Hinterhand, die wir mit Deinem enormen Lebenswillen gemeinsam gemeistert haben, sodass Du wieder durch den Garten springen konntest. Die schrecklich schlechten Leberwerte, die wir in den Normalbereich bekamen. Blasensteine pieksten Dich oft und Deine Nierenwerte beschäftigten uns längere Zeit. Letztendlich war es die kleine Blasen- und Darmschwäche die Dir im Alter vermehrt Beschwerden machte. Immer hast Du uns gezeigt wie lebenswert Dein Leben ist und hast uns im Alltag oft zum Lachen gebracht.
Radar, durch die viele Erlebnisse mit Dir hast Du viele Spuren hinterlassen. Du warst der Hüter von Haus, Hof und Garten und hast sogar die beiden allein stehenden Nachbarinnen mitbeschützen dürfen. Wir haben alle Urlaube gemeinsam verbracht und mit unserm Gartenagility hast Du viele begeistert. Wir werden augenzwinkernd schmunzeln wenn ein Auto mit Anhänger vorbei fährt. Karotten werden wir nur mit Gedanken an Dich essen können. Das Fallobst darf von nun an liegen bleiben und muss nicht sofort beseitigt werden. Jede verblühte Hibiskusblüte wird an Dich erinnern. Nicht nur uns, auch vielen Freunden wirst Du fehlen. Wir werden Dich für immer im Herzen behalten und wenn am Himmel eine Herzwolke zu sehen ist dann grinst Du zu uns herunter.

Γεια χαρά + Ευχαριστώ
Tschüß + Danke
Danke für Dein Vertrauen mein Schlawiner
Dani
hund-radar@t-online.de
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